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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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stimmte – würde mich für den Rest meines Lebens verfolgen. Aber ich musste nicht gerade jetzt mit dem Gewöhnen anfangen. Also ließ ich mir das Haar ins Gesicht fallen und schlurfte so schnell ich konnte an den Stühlen vorbei und durch die automatische Schiebetür nach draußen. Dort versuchte ich die anderen Leute zu ignorieren, die Raucherpause machten oder besorgte Familienmitglieder mit dem Handy auf dem Laufenden hielten, und ließ mich auf eine leere Bank fallen, die in der Nähe des Eingangs zur Notaufnahme stand.
    Paige geht es prima. Sie ist nur hier, um sich kurz durchchecken zu lassen, und dann gehen wir nach Hause, um DVDs zu gucken und uns zu unterhalten wie an jedem anderen Abend.
    Während ich mich selbst anschwindelte, begannen meine Gedanken immer wirrer zu werden, und das Blut pulsierte drängender durch meine Adern. Vermutlich würde ich bald ohnmächtig umkippen, aber vorher musste ich noch tun, was getan werden musste. Ich holte mein Handy heraus, schloss die Augen und konzentrierte mich auf meinen Atem. Hoffentlich würde ich das Gespräch überstehen, ohne in Tränen auszubrechen. Als ich halbwegs bereit war, schlug ich die Augen auf und wählte.
    Beim zweiten Klingeln meldete sich der AB. Ich dachte kurz darüber nach, aufzulegen und es später noch einmal zu versuchen, aber dann hinterließ ich doch eine Nachricht. Wer wusste schon, in welchem Zustand ich mich später befinden würde?
    »Hallo, Betty. Hier ist Vanessa. Ich rufe wegen Paige an. Sie … hatte einen Unfall.«
    Das war ebenfalls geschwindelt. Im Badezimmer hatte ich immerhin noch die Geistesgegenwart besessen, Zaras Tagebuch vom überschwemmten Boden aufzuheben. Später hatte ich die Momente genutzt, in denen Mom bei Dad anzurufen versuchte, um Paiges ordentliche, nun vom Wasser verwischte Einträge zu entziffern. Sie hatte alles genau geplant, allerdings war das Ergebnis anders ausgefallen als erhofft. Paige hatte das Wasser aufgedreht, Salz in die Wanne geschüttet und ihren Körper mit Gewichten beschwert. Kein Zweifel, sie hatte gewusst, was sie tat.
    Sie hatte versucht, sich zu verwandeln. In eine von ihnen – oder eine von uns . Vermutlich hatte es nur aus einem einzigen Grund nicht funktioniert, nämlich weil sie kein natürliches Salzwasser benutzt hatte.
    »Sie liegt auf der Intensivstation im Commonwealth Medical Center«, fuhr ich schnell fort. »Bisher wissen wir noch nichts Genaues, aber ich dachte, du willst bestimmt herkommen und sie sehen. Vielleicht kann Oliver dich fahren?«
    Ich gab noch die Adresse durch, dann legte ich auf. Ein Krankenwagen kam gerade mit Höchstgeschwindigkeit an und bremste vor dem Eingang der Notaufnahme. Wie hypnotisiert starrte ich auf das Blaulicht und sah bei jedem Aufflackern Justine vor mir.
    Ich vermisste sie. Besonders in diesem Moment, aber auch sonst in jeder Minute jedes Tages, selbst wenn ich nicht bewusst an sie dachte. Ich vermisste ihr Lächeln, ihr Lachen und ihre Fähigkeit, in allem Schlechten noch etwas Gutes zu finden. Ich vermisste es, ihr morgens auf dem Flur in die Arme zu laufen, wenn sie noch ganz verschlafen und zu knurrig war, um auch nur Guten Morgen zu sagen. Ich vermisste unsere abendlichen Gespräche über Gott und die Welt, über unsere Eltern, die Schule und die Jungs, mit denen sie mich abgelenkt hatte, bis ich nicht länger an meine Angst vor der Dunkelheit dachte und einschlafen konnte. Manchmal vermisste ich sie so sehr, dass es mir den Atem raubte, und dann erlaubte ich mir die Illusion, Justine sei nur für eine Weile fortgegangen und würde zurückkehren, sobald sie dazu bereit war.
    Wenn ich Paige jetzt auch noch verlor, würde ich an meiner Trauer endgültig ersticken.
    Tränen füllten meine Augen, und plötzlich brauchte ich dringend jemanden, der mir sagte, dass alles gut werden würde. Oder falls das zu viel verlangt war, dann wollte ich wenigstens einen Menschen an meiner Seite haben, den ich liebte und der mich liebte, der mich auch ohne Worte verstand und einfach nur neben mir auf dieser Bank sitzen würde, bis ich mich stark genug fühlte, um wieder aufzustehen.
    Ich wollte Simon.
    Meine Finger begannen ganz von selbst, eine SMS zu tippen. Für jede Träne, die meine Wange hinunterlief, kamen gleich mehrere nach, und so konnte ich das kleine Display nur schemenhaft erkennen. Ich fasste mich kurz und war sicher, dass er die versteckte Bitte herauslesen würde, ohne dass ich deutlicher werden musste.
    Paige auf Intensivstation im

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