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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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verweigere jedes Interesse an klassischer Musik und kämpfe für ihr Recht, Popmusik zu hören. »Aber«, beendete er mit sichtbarer Befriedigung, »wir haben ein Quartett im Haus.«
    Michael war hin- und hergerissen zwischen seiner Absicht, ein geschäftsmäßiges Verhalten an den Tag zu legen, und dem Wunsch, Klein näher kennenzulernen. Er erinnerte sich noch an dessen Vorlesungen: Michael hatte das abgeschlossen, was man damals an der Fakultät für hebräische und französische Literatur eine »Grundausbildung« nannte. Nur zufällig war er in Kleins Vorlesungen geraten. Es wäre ihm nicht eingefallen, einen Kurs in hebräischer Lyrik des Mittelalters zu belegen, doch man hatte ihm empfohlen, Klein zu hören, um eine Übung in Geschichte abzuschließen, die sich mit der moslemischen Eroberung im Mittelalter befaßte, und da ihm der Termin paßte, hatte er an dem Einführungskurs teilgenommen. Schon während der ersten Stunde war ihm wieder einmal bewußt, daß das Thema im Grunde überhaupt keine Rolle spielte – das Wichtigste war die Qualität des Dozenten. Es war Dr. Klein zu verdanken, damals noch ein junger Dozent an der Abteilung für hebräische Literatur, daß Michael lernte, daß die Texte von Ibn-Gabirol und Jehuda Halevi lebendig waren, Texte, die ihm im Gymnasium tot und langweilig vorgekommen waren, und im dritten Jahr seines Studiums, vor dem Bachelor of Arts, hatte er auch an einem Seminar Kleins teilgenommen.
    Nun schaute er sich um, verblüfft von der Unordnung, den leeren Kaffeetassen, den Papieren, die überall herumlagen, sogar ein Kinderkleid entdeckte er auf einem der Bücherregale, und in einer Ecke des Zimmers ein angefangenes Puzzle. Er atmete tief ein und roch den wunderbaren Duft von Gemüsesuppe, der durch die große Tür hereindrang. Er bemerkte die persische Miniatur, die auf dem Schreibtisch stand, betrachtete die Obstbäume hinter Kleins Rücken, dachte an die Blumenbeete vor dem Haus und empfand eine Mischung aus Neid und Ungläubigkeit. Ein flüchtiger, mißtrauischer Gedanke kam ihm in den Sinn – »Das ist zuviel des Guten, das kann nicht wahr sein« – und verschwand gleich wieder. Der Gegensatz zwischen dem bewohnten, lebendigen Zimmer und der Ernsthaftigkeit der Bücher, hatte etwas Irreales. Carmina romana, konnte Michael den Titel eines Buches entziffern, das ganz oben auf dem Stapel neben seinem Sessel lag, aufgeschlagen, mit dem Rücken nach oben. Darunter entdeckte er kyrillische Buchstaben auf einem verstaubten, braunen Bucheinband. Das alles wies auf ein hohes intellektuelles Niveau hin und weckte, gegen seinen Willen, so etwas wie Respekt in ihm. Er betrachtete Arie Klein und dachte: Er ist ein moderner Renaissancemensch. Ein Mann des Geistes, ein Intellektueller, der es schafft, zugleich ein Mann der Familie zu sein, Gärtner, Koch (er bot Michael einen Teller Gemüsesuppe an, die er selbst gekocht hatte, und als Michael gekommen war, hatte er ihm Kaffee gemacht und ihm sogar ein Glas kaltes Wasser serviert, ohne zu fragen), alles in allem, dachte Michael, das genaue Gegenteil von Tirosch.
    Jetzt muß ich nur noch herausfinden, überlegte er, warum Klein sich ausgerechnet mit dem Mittelalter beschäftigt und inwieweit diese Beschäftigung den Kontrast zwischen ihm und seinem verstorbenen Kollegen ausdrückt. Plötzlich hörte er wieder die klare Stimme, kräftig und voller Begeisterung, als er sich an die Vorlesungen im großen Hörsaal im Haus Meiser auf dem Giv'at Ram erinnerte.
    Klein hustete, schaute Michael von seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch aus an und sagte zögernd: »Hm, ich habe Sie in den letzten beiden Tagen gesucht, weil ich glaube, daß ich Ihnen einiges erzählen sollte.« Er lächelte entschuldigend. »Ich erinnere mich an Sie aus dem Seminar über arabische und hebräische Lyrik im zwölften Jahrhundert.«
    Michael betrachtete seine vollen Lippen, als er fortfuhr: »Ich war nicht sicher, hm ... ob die Leute, mit denen ich gesprochen habe, die Sache ernst genug genommen haben, vielleicht tue ich ihnen unrecht. Ich habe gedacht, sie sind zu jung und wissen nichts vom akademischen Leben.« Wieder hustete er und fuhr, sichtlich unbehaglich, fort: »Ich muß zugeben, daß ich Vorurteile gegenüber der Polizei habe, es fällt mir schwer, die zu überwinden.«
    Michael wurde rot und schwieg.
    »Die Dinge sind nicht so klar und deutlich, ich habe nicht das, was man ›Fleisch‹ nennt, keine wirklichen Fakten, nur Impressionen«, warnte Klein.
    Von

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