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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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»nein« und »nicht so« am Rand. Auf eine Seite hatte Tirosch mit roter Tinte geschrieben: »So darf man nicht über so etwas schreiben.«
    Michael erinnerte sich daran, was Klein über Tiroschs Begabung als Kritiker gesagt hatte, und mußte zustimmen. Trotzdem entnahm er den Anmerkungen, daß Tirosch die Verfasserin dieser Gedichte kannte.
    Balilati kam herein, laut schnaufend, wie es seine Art war. »Schade, daß Schorr weg ist«, sagte er. »Ich habe etwas Interessantes für ihn. Für ihn und für dich.«
    »Es gibt keine Zufälle in der Welt«, behauptete Michael und schob die Mappe beiseite. »Wenn Tirosch Unterlagen über seine finanziellen Verhältnisse in eine Mappe mit Gedichten legt, dann hat das eine Bedeutung.«
    Balilati zuckte mit den Schultern. »Wie du willst. Ich sage nicht, daß es unmöglich ist, herauszufinden, wer diese Gedichte geschrieben hat, aber trotzdem legt man doch manchmal etwas irgendwohin, wenn zum Beispiel jemand anders plötzlich das Zimmer betritt, und er hat ja auch nicht gewußt, daß er bald ermordet wird. Aber ich finde es für dich heraus, kein Problem.«
    Nur mit großer Mühe gelang es Balilati, Michael bis zum Ende zuzuhören. Er nahm die Mappe in die Hand und schaute Michael an, der mit den Fingern auf den Tisch trommelte. Balilati fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und stopfte sich mit der charakteristischen Bewegung das Hemd in die Hose. Michael fiel auf, daß er in den letzten Tagen zugenommen hatte, sein Bauch wölbte sich noch weiter hervor als sonst, und sein Hemd klaffte zwischen zwei Knöpfen auseinander.
    »Was wolltest du sagen?« erkundigte sich Michael.
    Balilati grinste zufrieden und stellte die rhetorische Frage »Wieviel Uhr ist es jetzt?« Er schaute auf seine Uhr. »Erst halb elf, nicht schlecht für halb elf, aber ich sage dir die Wahrheit, ich habe Beziehungen, nicht erst seit heute. Ich habe gleich was gerochen, aber nachdem ich mir das Band von deinem Professor angehört habe, war ich sicher, und glücklicherweise bin ich an den richtigen Mann geraten.«
    »Um was geht es?« fragte Michael erstaunt. Er war mit den Gedanken bei Kohlenmonoxyd.
    Mit einem siegreichen Lächeln antwortete Balilati: »Um den Gynäkologen von dieser Porzellanfigur, wie heißt sie doch noch, Eisenstein.«
    »Was hat ihr Gynäkologe damit zu tun?« wollte Michael wissen.
    Balilati fing mit der üblichen Formulierung an: »Frag mich, und ich werde es dir sagen.« Dann sprach er weiter, wobei er immer ernster wurde. Er nannte den Namen des Gynäkologen, erwähnte ein paar verschlungene Wege, die er gegangen sei, um nicht »mit der ärztlichen Schweigepflicht in Schwierigkeiten zu kommen«, pries die Sekretärin des betreffenden Arztes, dessen Privatklinik sich genau neben dem Haus befinde, in dem seine Schwägerin wohne, die jüngere Schwester seiner Frau, »nun, ich habe sie dir doch mal vorgestellt, vielleicht erinnerst du dich«.
    Michael erinnerte sich an das Abendessen am Sabbat im Haus Balilatis, an die dicke Frau und ihr verlegenes Lächeln, an den Nachrichtenoffizier in der Pose des Patriarchen am Kopfende des Tisches, die brennenden Kerzen vor sich, an die gebadeten Kinder, an den Spruch: »Iß, iß, niemand auf der Welt macht so gute Koba wie meine Frau.« Er erinnerte sich an die Hitze im Zimmer, an das schwere Essen, an Emilia, die junge, schüchterne Schwägerin Balilatis, mit ihrem dunklen Pferdeschwanz, den braunen Augen und dem plötzlichen Lächeln, die Balilati offenbar mit Michael Ochajon verkuppeln wollte. Sogar an ihre scheue Stimme erinnerte er sich, als sie sagte: »Dani hat schon soviel von Ihnen erzählt.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das ohne gerichtliche Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht verwenden kann«, überlegte er laut, nachdem Balilati seinen Bericht beendet hatte.
    Balilati wurde rot und protestierte: »Was soll das heißen, habe ich dir jemals eine falsche Auskunft besorgt?«
    »Das ist nicht der Punkt«, antwortete Michael besänftigend. »Aber sie hat schon beim ersten Verhör einen Rechtsanwalt verlangt, noch bevor wir etwas wußten. Du kannst dir vorstellen, wie sie reagieren wird, wenn wir so etwas vorbringen.«
    »Aber auch die vom Detektor haben gesagt, daß ihre Reaktionen nicht signifikant waren, ihre und die von Tuwja Schaj und Arie Klein«, betonte Balilati. »Es gibt keinen Grund, daß du nicht einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellst. Und einstweilen können wir es ja schon verwenden.«
    »Wer hat gesagt, daß

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