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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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aus anrufe?«
    »Kein Problem«, antwortete Eli Bachar. »Noch was?«
    »Laß die Leute nicht aus den Augen, solange ich nicht da bin, auch Klein nicht. Und bereite die Sitzungen der Sonderkommission vor, mit allen Einzelheiten. Zila soll jeden Abend die Aussagen abschreiben, damit ich sie lesen kann, wenn ich zurückkomme. Und wenn etwas ist – ruf an. Und Zila soll Racheli, die Bürohilfe der Sekretärin, noch ihre Aussage unterschreiben lassen. Und frage Klein trotzdem noch einmal, ob er Gas bestellt hat, ob er etwas darüber weiß. Man muß ihn ein bißchen sticheln.«
    »Kein Problem«, sagte Eli Bachar, nachdem er sich mit seiner kindlichen Sorgfalt alles notiert hatte, in einer Handschrift, die Michael jedesmal rührte.
    »Du solltest vor dem Flug noch ein bißchen schlafen. Es ist schon zehn, und du mußt um sechs am Flughafen sein. Es bleibt dir nicht viel Zeit. Und wenn du jetzt auf die Antwort vom Labor wartest, wegen der Unterschrift auf der Quittung, dann versäumst du deinen Schlaf«, sagte Eli verlegen und kniff die Augen zu, als erwarte er eine Abfuhr.
    Michael schlief auch in dieser Nacht nicht. Der Schriftsachverständige hatte ihm genau erklärt, warum es sein könne, daß diese undeutliche, verstellte Unterschrift von Tirosch stamme. Am Schluß deutete er auf das K, den deutlichsten Buchstaben der Unterschrift, und sagte: »Ich glaube nicht, daß Klein so unterschreiben könnte, noch nicht mal, wenn er seine Schrift verstellt. Ausgeschlossen. Außerdem ist er Linkshänder mit den typischen Abweichungen in der Schrift. Ich kann es zwar vor Gericht nicht beschwören, aber es ist wirklich gut möglich, daß Tirosch das geschrieben hat.«
    Eli Bachar fuhr Michael zu seiner Wohnung, und trotz seines Protests verkündete er, er würde ihn am nächsten Morgen zum Flughafen bringen.
    Um zwei Uhr nachts, nachdem er seinen kleinen Koffer bereits gepackt hatte und er ganz sicher war, daß er nicht einschlafen konnte, breitete er auf dem Küchentisch die Kopien aus, die er von den Sitzungsprotokollen der Fakultät hatte machen lassen. Sie umfaßten ein Jahr. Als Eli Bachar um halb sechs kam, fand er Michael sauber rasiert und reisefertig. Seine Augen waren rot, aber er hatte doch einiges über die Leute an der Fakultät erfahren, was er vorher nicht so genau gewußt hatte, über das Beziehungsgeflecht, das sie verband. Nachdenklich faßte er das Ergebnis seiner Überlegungen für Eli Bachar zusammen, während sie zum Flughafen fuhren. Bachar hörte schweigend zu.
    »Sehr interessant, diese Protokolle. Interessant, besonders wenn du die Leute kennst, die da auftauchen: Du kannst dir die Situation genau vorstellen, die Gesten jedes einzelnen. Du kannst wirklich viel aus ihnen lernen. Zum Beispiel erfährst du von einer Diskussion darüber, ob man die Studenten am Schluß des Jahres in einem Fach prüfen soll, das ›Grundbegriffe der Literaturwissenschaft‹ genannt wird, oder ob man sich mit den Übungen begnügt, an denen sie im Lauf des Jahres teilnehmen. Ich habe das Protokoll einer Sitzung gelesen, die sich nur mit diesem Thema befaßt hat, und gelernt, wie dominant Tirosch sich verhalten hat, wie er die anderen Redner beleidigt hat. Ich habe etwas über die Spannungen zwischen Zelermaier und Dita Fuchs erfahren. Dita Fuchs sagt etwas, und Zelermaier widerspricht auf der Stelle mit scharfen Worten. Und danach kommt immer Kalizki, der Fuchs mit einer lächerlichen Ritterlichkeit beschützt. Die seltsamsten Sachen.« Eli Bachar fuhr konzentriert. Michael betrachtete ihn von der Seite und stellte fest, wie fein sein Profil war, wie klassisch geformt die Nase, wie lang seine Wimpern waren. Alles Dinge, die ihm sonst gar nicht so auffielen.
    »Verstehst du«, sagte Michael, als sie vor der Glastür der Flughafenhalle aus dem Auto stiegen. »Tuwja Schaj hat immer für Tiroschs Vorschlag gestimmt, das ganze Jahr über, sogar wenn diese Vorschläge nur als Provokation gemeint waren. Aber in der letzten Sitzung hat er nichts gesagt, was ins Protokoll aufgenommen wurde, kein einziges Wort, und bei der Abstimmung über eine Änderung im Aufbau der Fakultät und über einen Studientag hat er sich der Stimme enthalten.«
    Eli Bachar antwortete nicht.
    »Du verstehst es nicht«, sagte Michael und nahm ihn am Arm. »Ich will damit sagen, daß Tuwja Schajs Verhalten, als wäre die Welt zusammengebrochen, nichts mit der Trauer über Tiroschs Tod zu tun hat. Vorher hat es keine einzige Sitzung gegeben, auf der er nicht

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