Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
werden rechtzeitig ankommen. Von dort geht Ihr Flug nach Carolina, und von dort fahren Sie dann auch zurück zum Kennedy.« . Michael warf ihm von der Seite einen Blick zu. Obwohl sein Gesicht so dick war, konnte man doch sagen, daß er eigentlich gut aussah. Doch der Speck, ein gieriger, verschlagener Ausdruck und der Schweiß, der ihm, trotz des klimatisierten Autos, unablässig herunterlief, machten ihn abstoßend.
»Ich verstehe allerdings nicht, warum Sie nicht wenigstens für einen Tag in New York bleiben wollten, wir hätten in eine Bar gehen können. Sie haben ja keine Ahnung, was es hier alles gibt«, sagte er verschwörerisch und schaute Michael, der die Landschaft betrachtete, von der Seite an. »Na ja, wenn es nicht geht, geht es nicht, da kann man nichts machen. Aber glauben Sie mir, ich hätte es niemandem erzählt, wenn Sie einen Abstecher gemacht hätten.«
»Das glaube ich Ihnen«, sagte Michael, ohne den Kopf vom Fenster zu drehen.
»Und wann wollen Sie Ihre Einkäufe erledigen? Kaufen Sie ja nichts am Flughafen, das sind alles Gauner, diese Duty-free-Shops, glauben Sie mir. In Lexington gibt es Geschäfte, wo Sie nicht wissen, was Sie nehmen sollen, dort gibt's alles. Ich könnte Ihnen etwas kaufen, wenn Sie wollen, und Ihnen die Tortur ersparen. Was meinen Sie?«
Michael sagte, sie könnten darüber sprechen, wenn er zurückkäme.
»Sie sind unter Druck, was? Listen, Ihr Mann, dieser Rechtsanwalt, wartet auf Sie, aber der zweite, der Russe, ist in schlechtem Zustand, und der Rechtsanwalt ist die ganze Zeit bei ihm im Krankenhaus. Das war eine Geschichte, mit ihm zu sprechen, glauben Sie ja nicht, daß das so leicht geklappt hat.«
Michael schaute aus dem Fenster und dachte an Blade Runner, an die graugrünen Farbtöne, die den Film beherrschten, an den unaufhörlichen, deprimierenden Nieselregen, der ihm immer deutlicher werden ließ, wie gewalttätig die Welt war, die auf dem Bildschirm entstand.
»Aber wie kommen Sie mit dem jet lag zurecht, Sie müssen für Ihre Gespräche doch wach und munter sein? Nach dem, was ich in der Zeitung gelesen habe, weiß ich, daß Sie nicht so richtig vorangekommen sind.«
»Es ist ein schwieriger Fall«, sagte Michael, ohne beleidigt zu sein.
»Aber Sie sind der Star, was? Sie sind jetzt der diensthabende Star, den sie dort haben. Seien Sie vorsichtig, Stars fallen bei ihnen schnell. Ich bin eine Ausnahme, mir kann keiner was anhaben.«
»Vielleicht erzählen Sie mir etwas über diesen Rechtsanwalt, was wissen Sie über ihn?«
»Ich habe gute Beziehungen, natürlich kann ich Ihnen was über ihn erzählen. Ich habe gedacht, daß Sie warten wollen, bis wir am Flughafen sind, Sie haben dann noch ein bißchen Zeit bis zum Abflug.« Schatz warf Michael einen Blick zu, dann begann er mit monotoner Stimme zu sprechen: »Also dann: Max Löwenthal, einundsechzig Jahre alt, Jude, in Rußland geboren, aber seine Eltern sind mit ihm nach Amerika ausgewandert, als er ein kleiner Junge war. Er hat in Harvard Jura studiert, und trotzdem lebt er in irgendeinem Loch, das Chapel Hill heißt, einer kleinen Universitätsstadt in North Carolina. Ein Loch, wirklich ein Loch. Aber er lehrt dort Jura und ist aktiv bei der A.C.L.U. Wissen Sie, was das ist?« Michael gab zu, daß er keine Ahnung hatte.
»Das ist eine Bürgerrechtsbewegung, die Anfangsbuchstaben von ›American Civil Liberty Union‹. Es ist erstaunlich, er hätte ein wohlhabender und erfolgreicher Rechtsanwalt an jedem anderen Ort sein könnten, aber er sitzt dort im Süden. Auch dort ist er ganz schön loaded, das können Sie glauben.« Schatz bemerkte Michaels verständnislosen Blick und erklärte: »Millionär, er hat ein großes Haus in Chapel Hill und ein Sommerhaus auf einer Insel und was weiß ich noch alles. Und jedes Jahr ist er zum Skifahren in der Schweiz, wie es sich gehört. Er spendet viel für Hilfsaktionen und ist überhaupt sehr rührig. Sie haben hier eine Akte über ihn, er war immer sehr aktiv, er ist sehr oft in die UdSSR gereist und hat im Süden hinten im Autobus gesessen, wo sonst nur Schwarze sitzen, Sie kennen diesen Typ. Solche gibt's auch in Israel.« Schatz zog in offenem Abscheu die Nase hoch.
»Und wie ist der Russe zu ihm gekommen?«
»Das weiß ich nicht genau, aber er hatte Beziehungen zur Sowjetunion, dieser Löwenthal, er hat auch ein Buch über sie geschrieben, über die Juden in der Sowjetunion, und er hat von dort alle möglichen Manuskripte rausgeschmuggelt, das wird
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