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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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bis Juni, war kein Tag vergangen, an dem Adina ihn nicht erwähnt hatte. An den Tagen, an denen Post von ihm kam, vor allem, wenn er sich in seinem Brief ausdrücklich auf Adina bezog und persönliche Fragen stellte, konnte Racheli hinausgehen und Kaffee trinken, ohne von der Sekretärin getadelt zu werden. Wenn sie zurückkam, lächelte Adina immer noch, und sie las den Brief wieder und wieder, und manchmal las sie sogar einige Stellen laut vor.
    Racheli bewunderte Professor Klein schon im voraus, wegen des Lächelns auf den Gesichtern der Leute, wenn sein Name fiel. »Wann kommt er? Übermorgen?« murmelte Aharonowitsch und fügte hinzu: »Nun, vielleicht wird er es sogar schaffen, zur Beerdigung zu kommen.«
    Wieder breitete sich drückende Stille im Zimmer aus, und Tuwja Schaj fuhr sich durch die dünnen, farblosen, nach allen Seiten abstehenden Haare, mit einer Bewegung, die bei Tirosch reizvoll aussah, bei Tuwja aber grotesk.
    Die schweren Schritte Schulamit Zelermaiers waren, trotz ihrer weich besohlten Sandalen, schon von draußen zu hören. Racheli hielt die Luft an, während sie gespannt auf das Auftauchen der Frau wartete, die sie bei sich »Dinosaurier« nannte. Obwohl sie einmal in einem anthropologischen Buch gelesen hatte, daß die Dinosaurier überhaupt nicht aggressiv gewesen waren, machten sie ihr angst, sogar auf Bildern. Schulamit Zelermaier mit ihren hervorquellenden Augen, der spitzen Zunge, ihren ungezügelten Ausbrüchen und ihrem Perfektionismus weckte Furcht in ihr. Auch wenn sie ins Sekretariat kam, um irgendeine »Anekdote« zu erzählen, irgendwelchen Klatsch, hoffte Racheli angespannt, daß sie bald wieder ging.
    Als sie nun das Zimmer betrat, die Tür zumachte und alle Anwesenden schweigend anschaute, atmete Racheli erleichtert auf. Schulamit Zelermaier wußte also Bescheid und hatte beschlossen, beherrscht zu sein. Sie hatte den Kopf zur . Seite geneigt, ohne auch nur den Anflug eines sarkastischen Lächelns zu zeigen, und sagte nur: »Furchtbar, einfach furchtbar.« Racheli machte sofort den Stuhl für sie frei, und Schulamit Zelermaier ließ ihren schweren Körper mit einem Seufzer darauf fallen.
    Wieder ging die Tür auf, und zwei junge Fakultätsassistentinnen kamen herein, Zipi Lev-Ari in einem dünnen, weißen arabischen Gewand, und hinter ihr Ja'el, deren Anblick Racheli wie immer in feierliche Erregung versetzte.
    »Sie ist nicht einfach eine gewöhnliche Schönheit«, sagte sie jedesmal zu ihren Freunden, wenn sie ihnen das »Phänomen« zeigte, wie sie es ausdrückte, und fragte dann sofort: »Nun, was sagst du?« Und jedesmal war sie wütend über die Reaktion der Männer. Alle Frauen staunten pflichtschuldig, aber die Männer schreckten zurück. »Man kann sie nicht anfassen«, hatte Dubik einmal gesagt. »Sie würde zerbrechen. Warum ißt sie nichts?« Sogar Tirosch zeigte ihr gegenüber eine Behutsamkeit, die Racheli sonst nie an ihm aufgefallen war. In Ja'els Anwesenheit wurde seine Stimme weich und beschützend, und nie flirtete er mit ihr.
    Ja'el Eisenstein war zart wie eine Blüte. Ihr Gesicht war weiß und rein, sie hatte hellblaue Augen, in denen alle Trauer der Welt lag, sie hatte dicke blonde Locken, die ihr über die Schultern fielen, »alles Natur«, wie Racheli stolz jedem erklärte, der es wissen wollte. Wie immer war ihr zierlicher Körper in ein dünnes fließendes schwarzes Strickkleid gehüllt, dünn und glatt, und zwischen den schmalen Fingern, die gelb vom Nikotin waren, hielt sie eine Zigarette, deren Geruch das Zimmer erfüllte. »Sie raucht ausschließlich Nelsons, ununterbrochen, und sie trinkt ständig schwarzen Kaffee. Ich habe sie noch nie etwas essen sehen, und sie fährt nur mit dem Taxi, sie hat Angst vor Menschenmengen, sie kommt aus einer sehr reichen Familie«, hatte ihr Zipi einmal erzählt, als Racheli eine beiläufige Frage gestellt hatte. Zipi hätte gern eine ebensolche spirituelle Ausstrahlung wie dieses Mädchen gehabt. »Sie ist nur Geist, ohne Körper. Einmal war ich bei ihr zu Hause, ich habe versucht, sie zu überreden, sich uns anzuschließen, unserer Gruppe, und habe einen Blick in ihren Kühlschrank geworfen. Es waren nur zwei Joghurts und weißer Käse drin, das war alles. Und glaube ja nicht, daß sie jemals anders angezogen war. Ich kenne sie von Anfang an, seit dem Beginn des Studiums, und nie hat sie was anderes angehabt, und nie hat jemand gewagt, mit ihr zu sprechen. Irgendwann habe ich sie einfach mal angesprochen, und

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