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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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er hinzugefügt, wenn man die Augen schließe, höre man hinter ihrer Stimme Arien aus der Hochzeit des Figaro – mit dieser glockenreinen Stimme sagte sie also: »Aber es kam ein unangenehmer Geruch aus seinem Zimmer.« In diesem Moment dachte Racheli, das sei der Beweis dafür, daß sie letztlich doch nur eine ganz gewöhnliche Verrückte sei.
    Wieder wurde es still im Zimmer. Tuwja schaute sie erschrocken an, als er sagte: »Was meinst du damit?« Rachelis Blick huschte von einem zum anderen. Plötzlich kamen ihr alle wie große Geier vor, die auf eine unbekannte Beute warteten, und nur Ja'el, schwarz gekleidet, sah aus wie ein verirrtes Vögelchen. Sie wiederholte: »Ich weiß nicht, ein seltsamer Geruch wie von einer toten Katze.«
    Wie immer war es Sarah Amir, die sich schnell faßte. Sie stand auf, schob ihren Stuhl zum Fenster in die schmale Lücke zwischen der Wand und Schreibtisch und drückte Ja'el darauf. Dann wandte sie sich zum Schreibtisch und zog mit einer entschlossenen Bewegung die Schublade auf. Adina blieb noch nicht einmal Zeit, zu protestieren, als sie das Schlüsselbund herauszog, von dem alle wußten, daß es da lag, das aber noch nie jemand in die Hand zu nehmen gewagt hatte. Sie suchte schnell einen Schlüssel heraus, wandte sich an Adina und fragte mit klarer, entschiedener Stimme: »Es ist der da, nicht wahr?«
    Adina nickte und sah bestürzt zu Awraham Kalizki hinüber, dessen kleine, lächerliche Gestalt gerade den Türrahmen versperrte. Sein Gesicht, das immer den etwas verwirrten Ausdruck eines klugen, aber hilflosen Schülers zeigte, sah noch verwirrter aus, als er das volle Zimmer sah. Adina sagte, er solle hereinkommen und die Tür zumachen, es gäbe Durchzug und alle würden sich erkälten. Es gab nicht den geringsten Wind, der Chamsin dauerte schon eine Woche, aber niemand lächelte.
    Erst dann sagte Adina: »Ich weiß nicht, ich habe gestern überall herumtelefoniert, und es war gar nicht so leicht, immer durchzukommen. Jetzt ist es schon eins, und ich habe kein Wort von ihm gehört. Aber ich traue mich nicht, ohne Erlaubnis in sein Zimmer zu gehen, das hat er überhaupt nicht gern, wißt ihr, und die Verantwortung bleibt schließlich an mir hängen. Ich habe bei allen Universitäten und Verlagen angerufen, und niemand hat ihn gesehen, und jetzt weiß ich nicht ...«
    »Gut, jetzt ist es nicht mehr Ihre Verantwortung«, sagte Sarah Amir. »Ich will wissen, wo wir ihn erreichen können und wer jetzt bei Ruth Duda'i ist. Wir müssen eine Anzeige in die Zeitung setzen, wir müssen uns um Ruth kümmern, und vielleicht liegt eine Nachricht in seinem Zimmer. Wir müssen etwas tun, wir können nicht einfach den ganzen Tag die Hände in den Schoß legen.« Sie wandte sich an Tuwja und fragte ungeduldig: »Kommst du mit?«
    Tuwja Schaj sprang auf, als ob er aus einem Traum erwachte, und starrte sie voller Panik an. »Schau mich nicht so an, du kennst das Zimmer besser als ich, und Adina soll ebenfalls mitkommen. Ich übernehme die Verantwortung, Adina, schließlich handelt es sich um eine Notsituation. Verstehen Sie, Adina? Das ist ein Notfall!«
    Tuwja Schaj sah sich verwirrt um. Racheli fiel ein, wie gern er Ido gehabt hatte, und empfand plötzlich großes Mitleid mit ihm. Vielleicht, dachte sie, war Ido für ihn eine Art Ersatz für den Sohn gewesen, den er nicht hatte, er sieht aus wie jemand, der einen Sohn verloren hat und es noch nicht fassen kann. Die plötzliche Energie, die er vorher gezeigt hatte, war völlig verschwunden, stellte sie fest, und er weckte in ihr das Bedürfnis zu weinen, wie er in der Ecke an der Wand lehnte, schweigend und hilflos, bis er sich schließlich bewegte und ergeben hinter Sarah Amir und Adina Lifkin herlief, deren innere Qual daran zu erkennen war, daß sie vergaß, die Tür hinter sich zu schließen.
    Schulamit Zelermaier legte den Kopf schief, seufzte, und in ihren vorquellenden Augen war für einen Moment das böse, helle Leuchten zu sehen, vor dem sich Racheli fürchtete, seit die Frau das Zimmer betreten hatte. »Er hat sich bestimmt irgendwo eingeschlossen und beschäftigt sich mit Privatangelegenheiten«, sagte sie mit ihrer dunklen Stimme, aber Dita Fuchs warf ihr einen drohenden Blick zu, und Frau Dr. Zelermaier sprach nicht weiter. Das böse Leuchten erlosch, und nur ihr schwerer Atem war im Zimmer zu hören, als sie eine Schachtel Royal aus der Tasche ihres weiten Rockes zog – eine Marke, die Racheli besonders mochte – und sich eine

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