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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Gebäude aufschließt, und dann muß man ihn wieder anrufen, wenn man rausgelassen werden will«, sagte Balilati, als beantworte er eine Frage, und schaute den Offizier der Staatsanwaltschaft an.
    Michael Ochajon antwortete ruhig, mit einer Stimme, die ihm selbst heiser vorkam, es stimme alles, was Balilati gesagt habe. Doch es sei immerhin möglich, daß der Mord am Freitag passiert sei, und das ändere die Sache. »Oder wenn jemand bis Sonntag in diesem Gebäude geblieben ist, bis, wie üblich, die Türen geöffnet wurden und jedermann frei aus und ein gehen konnte«, fügte er noch hinzu.
    Dani Balilati kratzte sich am Kopf und sagte: »Gut, diese Diskussion ist ohnehin überflüssig, solange man noch nichts über den Zeitpunkt des Todes weiß. Kann man Sicherheitsgründe ausschließen? Weiß jemand etwas über politische Aktivitäten dieses Mannes?«
    Michael hatte die Gedichte gelesen, die in verschiedenen literarischen Wochenendbeilagen erschienen waren. Sie hatten ihn nicht besonders beeindruckt, deshalb antwortete er: »Ein Salonlinker.«
    »Klar, er ist ja von der Universität«, antwortete Balilati. »Er muß ein bißchen links sein, oder nicht?« Dabei warf er dem Rektor einen Blick zu, und alle dachten, es handle sich um Ironie – außer Michael Ochajon, der ein Lächeln unterdrückte, weil er genau wußte, daß Balilati jedes Wort so meinte, wie er es sagte.
    Trocken erwiderte der Rektor, an der Universität seien alle politischen Parteien vertreten.
    »Im Fachbereich Literatur? Im Jahr neunzehnhundertfünfundachtzig soll es da irgend jemanden geben, der nicht links ist? Aber wirklich!« Balilati neigte seinen verschwitzten Kopf und schaute den Rektor spöttisch an.
    Michael bemerkte, daß der Rektor den Boden unter den Füßen verlor. Schweißtropfen erschienen auf seiner Stirn, als er fragte, ob man ihn noch benötige. »Mit wem soll ich in Verbindung bleiben?« fragte er.
    Arie Levi, mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der viel zu beschäftigt war, um darauf einzugehen, sagte: »Wir werden uns an Sie wenden, wenn es etwas Neues gibt. Wenn Sie etwas brauchen oder eine wichtige Information haben, können Sie sich an den Oberinspektor Ochajon wenden, der ab sofort den Fall bearbeitet. Sie können ihn immer über unsere Zentrale erreichen.« Seine Stimme wurde belehrend: »Aber Sie werden Geduld brauchen.«
    Einen Moment lang wurde Michael zwischen zwei Gefühlen hin- und hergerissen: Zum einen bereitete ihm die Verwirrung des Rektors Vergnügen, eines Mannes, der in ihm das weckte, was er » die Antikörper meines Außenministeriums« nannte – womit er seine Abneigung gegen die polierte Glätte Maroms meinte, die wichtigtuerische Krawatte, die Fähigkeit, auch in heiklen Situationen nicht zu schwitzen, das unverbindliche Geplauder, die Umgangsformen, die signalisierten: Ich kann zwischen Wichtigem und Nebensächlichem unterscheiden, ich weiß, welchen Wein man zu welchem Essen trinkt –, und zum anderen war es ihm unangenehm, daß er selbst hier mit dem Bezirkskommandanten und seinem aufgeblasenen Verhalten in Verbindung gebracht wurde. Er entschied sich für das Vergnügen.
    Obwohl er Maja versichert hatte, nachdem er ihr im Haus des früheren Kulturattaches in Chicago begegnet war (der damals gerade auf seinem Weg nach Australien in Israel Zwischenstation gemacht hatte), er sei durchaus offen für andere Menschen, sogar wenn es um Leute vom Außenministerium gehe, konnte er doch seinen Zorn und – wie er sich eingestehen mußte – seinen Neid auf jene Leute nicht verleugnen, die mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden waren, einem Löffel, der sich später, wie er Maja allen Ernstes erklärt hatte, in eine silberne Krawattennadel verwandelte.
    Andrerseits, fragte er sich, während Arie Levi den Rektor hinausbegleitete und mit autoritärer Stimme die Reporter zum Schweigen brachte, die sich noch immer vor der Tür drängten und deren Aufmerksamkeit sich augenblicklich auf die beiden Gestalten konzentrierte, die das Zimmer verließen – wie sollte man anders als mit dieser höflichen Kühle und kaum verhohlenen Verachtung auf das anbiedernde Benehmen des Polizeichefs reagieren?
    Dann begannen sie zu besprechen, wer außer Ochajon und Eli Bachar zur Kommission gehören solle. Awidan erkundigte sich, ob Zila noch im Bett liegen mußte – sie war schwanger, und es gab Komplikationen –, und Eli antwortete, sie sei seit zwei Wochen wieder da, doch er wolle ihr jetzt nicht zuviel

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