Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
Momenten wie ein Kameramann, der den Anweisungen des Regisseurs eines gut gemachten Films folgte.
Gegenüber der Tür sah er Ja'el, die noch immer in derselben Haltung am Fenster saß, und hinter ihr stand Arie Klein, dessen dicke Lippen zitterten. Adina Lifkin hockte an ihrem Tisch und wischte sich mit regelmäßigen Bewegungen das Gesicht mit einem Papiertaschentuch ab, das sie offenbar aus der geöffneten linken Schublade geholt hatte.
Nur Arie Klein, den Professor für mittelalterliche Lyrik, und Schulamit Zelermaier, Expertin für Volksdichtung und Folklore, kannte er persönlich aus seinen Jahren an der Universität. Zelermaier saß an Rachelis Tisch, die schweren Beine gespreizt, den dunklen Rock bis zu den Knien hochgeschoben. Ihre Füße, die in orthopädischen Sandalen steckten, stemmten sich gegen den Boden. Sie sprach als erste; mit einer Zurückhaltung, die jedoch ihren Zorn nicht verbergen konnte, fragte sie, ob sie nun gehen könne. Als sie nicht sofort eine Antwort bekam, konnte sie sich nicht mehr beherrschen. Mit lauter, kurzatmiger Stimme setzte sie zu einer Rede an, die mit folgenden Worten begann: »So eine Unverschämtheit! Leute Stunden um Stunden festzuhalten, ohne Wasser, ohne frische Luft, und ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren Familien Bescheid zu sagen, und dabei ist es schon fünf Uhr.« Als sie eine Pause machte, um Luft zu holen, schnitt ihr Michael das Wort ab und fragte, wer von den Anwesenden Tirosch am Sabbat gesehen habe.
Alle schwiegen, und plötzlich wich die Atmosphäre des Schocks und der Trauer einer anderen Stimmung. Michael spürte die Spannung im Raum. Niemand beantwortete seine Frage.
Sie schauten sich gegenseitig an, und dann sagte Adina: »Ich habe ihn wegen eines schrecklichen Unfalls schon am Sabbat abend gesucht, ihn aber nicht gefunden.« Sie zerknüllte das Papiertaschentuch und brach in Tränen aus.
Niemand habe ihn am Sabbat gesehen, bestätigten alle mit einem Kopfschütteln und zuckenden Lidern, und Kalizki sagte sogar ausdrücklich »Nein«. Balilati und Rafi sind schon auf dem Weg zu Tiroschs Wohnung, dachte Michael und überlegte, ob er sofort mit den persönlichen Befragungen anfangen sollte, bevor die Spannung nachließ. Er fragte, wer Tirosch am Freitag gesehen habe.
Adina antwortete, am Freitag habe eine Sitzung aller Dozenten der Fakultät stattgefunden. »War etwas Besonderes?« fragte Michael und vernahm, daß etwa alle drei Wochen eine solche Sitzung stattfände. »Immer freitags«, sagte Adina. Michael betrachtete sie und fragte, ob bei der letzten Sitzung etwas Besonderes vorgefallen sei.
»Ich weiß es nicht, ich war nicht dabei, und bis jetzt hatte ich keine Zeit, das Protokoll zu lesen. Die Sekretärin nimmt an den Sitzungen nicht teil.«
Michael erinnerte sich an die Geschichten, die Zila während ihrer Ausbildungszeit über das Sekretariat erzählt hatte, und hätte fast gelächelt. Adina Lifkins Gesicht war deutlich die Bitterkeit anzusehen, daß sie nicht überall die Kontrolle hatte, aber sie schien beschlossen zu haben, sich mit ihrer Position abzufinden.
»Ich habe ihn natürlich gesehen, vor der Sitzung und danach. Nur Professor Klein hat ihn nicht gesehen, er ist erst gestern aus dem Ausland zurückgekommen«, sagte Adina und fing wieder an zu weinen, und zwischen lauten Schluchzern stieß sie einige abgehackte Sätze aus: »Was ist hier los? Sterben alle Leute, einer nach dem anderen? Es herrscht hier ein ... Ich habe Angst, hier zu sein ...«
»Es gibt keine Verbindung, Adina, wirklich nicht«, sagte Sarah Amir scharf, aber Aharonowitsch kniff die Augen zusammen, warf Adina einen Blick zu und sagte: »Haltet ihr es für möglich, daß hier jemand Böses plant?«
»Und wer«, fragte Michael, während er schnell die Anwesenden betrachtete, um möglichst viele Reaktionen mitzubekommen, »wer hat ihn nach der Sitzung gesehen?« Wieder war es Adina, die antwortete. Dr. Schaj habe mit ihm zu Mittag gegessen.
»Sie meint mich«, sagte Tuwja von seinem Platz an der Wand aus.
Michael bemerkte die bläulichen Adern an den Schläfen des Mannes, als er nun die Tür öffnete und ihm ein Zeichen gab, mit ihm auf den Flur zu gehen. »Wann war das?« fragte er und hörte den Polizisten, der draußen stand, mit Papier rascheln, bereit, Notizen zu machen.
»Ich glaube, es war ungefähr halb zwölf, die Sitzung war um elf zu Ende, und es hat eine Weile gedauert, bis wir losgegangen sind. Wir haben hier gegessen, im Haus Maiersdorf,
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