Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
hellen Augen lag Panik. Michael fragte sich, wie Marom auf den Anblick der Leiche reagiert hätte, und war peinlich berührt durch die Höflichkeit Arie Levis, der sich auf eine irgendwie untertänige und wichtigtuerische Art vorstellte, mit Namen und Rang. Michael fragte sich, wann er wohl seine Rangabzeichen poliert hatte. Arie Levis besonderes Verhältnis zu Menschen mit einem höheren Bildungsgrad war eine der Hauptursachen für seine gelegentlichen Ausbrüche gegen Michael. Eli Bachar zitierte oft mit großem Vergnügen den Spruch »Das ist hier keine Universität, Ochajon, was?«, mit dem Levi jeden Zweifel seines Untergebenen an einem seiner Befehle vom Tisch wischte, ganz am Anfang, als Michael noch Inspektor gewesen war.
Doch dies war die Universität, und verlegen hörte Michael die Worte: »An der Spitze der Untersuchungskommission wird Oberinspektor Ochajon stehen, der einmal ein großer Star bei Ihnen gewesen ist ... Geschichte, stimmt's. Ochajon?« Der Rektor der Universität warf ihm einen Blick zu, eine Mischung aus Angst und Höflichkeit, rückte sich die Krawatte zurecht und nickte Levi zu, der ohne Pause weiterredete.
Avidan, der Offizier der Staatsanwaltschaft, stellte sich dem Rektor vor, dann begann er, verschiedene Vermutungen anzustellen. Zuerst gerieten sie in eine lange Diskussion über die Sicherheitsvorkehrungen an der Universität. Sie sprachen darüber, wann das Gebäude verschlossen wurde, darüber, wie jemand am Wochenende in seinem Zimmer bleiben konnte, ohne daß der Sicherheitsbeauftragte etwas davon erfuhr. Schließlich meinte der Bezirkssprecher, man müsse abwarten, bis der genaue Zeitpunkt des Todes feststand. »Ja«, sagte der Offizier der Staatsanwaltschaft, »dann kann man die Sicherheitsbeamten der Universität befragen.« Der Rektor sah sie an und fragte schließlich, welche Möglichkeiten es sonst noch gebe.
»Gut«, sagte Levi nachdenklich, »es gibt natürlich noch andere Möglichkeiten, zum Beispiel politische Motive oder persönliche oder sexuelle.«
Der Rektor schaute sich erschrocken um, und Michael sah ihm an, daß er das nicht glaubte. Erst jetzt fiel ihm auch die andere Sache wieder ein. Er sprach ruhig, und bei seinen ersten Worten wurde es still im Zimmer. »Gestern abend«, sagte Michael Ochajon, »bin ich aus Eilat zurückgekommen. Ich war dort Zeuge eines Tauchunfalls.«
Alle sahen ihn schweigend an. Arie Levi wollte etwas einwenden, doch Michael kam ihm zuvor und fügte hinzu, indem er den Rektor der Universität direkt anschaute: »Ein junger Mann namens Ido Duda'i, sagt Ihnen der Name etwas?« Der Rektor schüttelte den Kopf, und Arie Levi machte bereits den Mund auf.
Der Pressesprecher, der Offizier der Staatsanwaltschaft und Eli Bachar warteten gespannt.
»Ich habe gehört, daß er ebenfalls Dozent für hebräische Literatur war. Es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob zwischen den beiden Fällen nicht ein Zusammenhang besteht. Zwei Männer von derselben Fakultät, am selben Wochenende.«
»Davon weiß ich noch gar nichts«, sagte der Rektor diplomatisch, »aber ich werde mal nachfragen.« Er schaute zögernd zu Arie Levi hin, und als dieser nickte, griff er nach dem Telefon und sprach kurz mit seiner Sekretärin. Diese bestätigte, daß Ido Duda'i, Dozent für hebräische Literatur, bei einem Tauchunfall ums Leben gekommen sei. Dann drehte er sich wieder zu ihnen um. »Sie hat gesagt, die Beerdigung finde erst morgen statt, da eine Obduktion angeordnet worden sei. Ich habe natürlich nichts davon gewußt.« Er warf Michael einen entschuldigenden Blick zu. »Nun, aber dies hier ist doch etwas ganz anderes. Ein Tauchunfall in Eilat und ein gewaltsamer Tod hier.«
Arie Levi schaute Michael interessiert an. »Ja, man muß tatsächlich der Frage nachgehen, ob es eine Verbindung zwischen den beiden Vorfällen gibt«, sagte er zögernd und richtete an Marom die Frage: »Wie viele Mitglieder hat die Abteilung Literatur?« Marom antwortete entschuldigend, er wisse das nicht genau, aber die Verwaltung würde ihnen natürlich jede Information zukommen lassen, die sie benötigten. Seiner Meinung seien es ungefähr zwanzig. »Einschließlich der Assistenten«, sagte er. Dann schaute er wieder Michael an und sagte zögernd: »Trotz des tragischen Vorfalls, wirklich, sehr tragisch, leuchtet mir nicht ein, warum es eine Verbindung zwischen den beiden Fällen geben sollte. Schließlich ist die eine Sache hier passiert, an der Universität, und die andere war
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