Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
Bildschirm gesehen hatte. Wieder betrachtete er das Vorwort, das Tirosch zu Ferbers Buch geschrieben hatte, des Dichters, den Tirosch entdeckt und veröffentlicht hatte, und er erinnerte sich an die erschrockene Reaktion Ruth Duda'is und Ruchama Schajs, an seine eigene Reaktion beim Anblick von Tiroschs Leiche, ein ähnliches Gefühl, wie er es jetzt empfand, und laut sagte er: »Du hast einfach einen Schock«, und seine Stimme hallte im Zimmer und machte ihm angst. Wieder fühlte er eine hilflose Wut auf Maja, und dann kam die Welle von Mitleid mit sich selbst, mit ihr und sogar mit ihrem Mann. Er versuchte aufzustehen.
Sein Körper war schwer, und der Himmel wurde langsam hell. Er ging in die Küche, stellte den Wasserkessel auf den Herd, dann duschte er, rasierte sich mit langsamen Bewegungen, betrachtete sein Gesicht, das aussah wie das eines fremden, harten Mannes, die feinen Fältchen um seine Augen. Der Wasserkessel pfiff laut, und wieder dachte er, daß er einen elektrischen Wasserkessel kaufen müßte, der ihn nicht so nervös machen würde, doch er ließ den Kessel pfeifen, bis er sich das Gesicht mit dem kleinen Handtuch abgetrocknet hatte, das so hart war wie Sandpapier, und er hörte Majas Stimme, die behauptete, in Jerusalem könne man nicht ohne Weichspüler waschen, das Wasser sei viel zu hart, und er versuchte, die Tränen zurückzuhalten, während er sich einen starken, schwarzen Kaffee machte und bemerkte, daß seine Hände zitterten, als er einen Löffel Zucker in die schwarze Flüssigkeit kippte. Die Uhr, die Juval ihm gekauft hatte, als er mit seinem Großvater in die Schweiz gefahren war, und die nun an der Küchenwand hing, zeigte fünf Uhr, die Spatzen fingen an zu tschilpen, und aus einer der Wohnungen war das Weinen eines Babys zu hören. Michael trank seinen Kaffee im Stehen, schnell, obwohl er sich Gaumen und Zunge verbrannte – ein Gefühl, das er mit einer gewissen Dankbarkeit hinnahm, es war wenigstens ein klares, eindeutiges körperliches Empfinden –, dann spülte er die weiße Tasse, stellte sie in den Schrank über der Spüle und verließ das Haus.
Elftes Kapitel
»Alle sind schon drüben«, sagte Zila mit besorgtem Gesicht. »Er will Einzelheiten über den Film, den wir vorgestern gesehen haben. Er hat gesagt, heute wäre schon Mittwoch, und hat alle in sein Zimmer bestellt. Ich habe gesagt, du würdest gleich kommen, aber er hat schlechte Laune, und jetzt liest er die Akte.« Sie standen vor der Tür zu Michaels Zimmer. Zilas angespannte Stimme brachte ihn dazu, ihr schnell zum Zimmer des Polizeichefs zu folgen. Das kleine Vorzimmer war leer, die Schreibmaschine war zugedeckt. »Also dann«, sagte er mit einer Stimme, die seine ganze Niedergeschlagenheit verriet.
Wieder saßen sie bei der Morgensitzung, wieder blätterten alle schweigend und konzentriert in den Unterlagen, die Zila vorbereitet hatte, im Gutachten des pathologischen Labors, in den Fotoabzügen, im Bericht der Spurensicherung, in der Liste der Fragen, die beim Detektor gestellt werden sollten, in den Protokollen der Verhöre, in den unterschriebenen Erklärungen. Rafi Elfandari legte die Kopie hin, die er in der Hand hielt, betrachtete lange das Foto von Tiroschs Leiche, dann das Foto der indischen Statue, die im Auto gefunden worden war. »Was ist das für eine Figur?« fragte er und nahm einen Schluck aus dem Pappbecher, den er in der Hand hielt.
»Es ist eine Statue des Gottes Schiwa«, sagte Michael. »Die Spurensicherung hat gesagt, es gebe keine Fingerabdrücke. Sie ist vollkommen sauber. Aber jemand muß sie vom Büro ins Auto gebracht haben, es ist äußerst seltsam, wie um uns darauf hinzuweisen, daß das die Mordwaffe ist. Und wenn du das pathologische Gutachten gelesen hast, weißt du ja, daß man Spuren von Metall auf seiner Gesichtshaut gefunden hat, vermutlich wurde wirklich mit der Figur auf ihn eingeschlagen. Auch im Auto gibt es keine Fingerabdrücke, aber sein Zimmer ist voll damit. Alle sind geprüft worden. Es gibt alles, was man sich nur wünschen kann, jede Menge Abdrücke von Tuwja Schaj, aber auch von Ja'el Eisenstein, die ihren Angaben nach an jenem Tag nicht im Zimmer gewesen ist, wobei sie natürlich wirklich einen Tag vorher hätte dortgewesen sein können, von Ruchama Schaj, und auch von dem jungen Mann, der dort putzt, mit dem ich gestern gesprochen habe ... «
»Du meinst diesen Araber? Der schon verhört worden ist?« fragte Balilati mißtrauisch. Michael nickte und fuhr
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