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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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könne. »Ich frage mich auch«, sagte er langsam, »ob eine Trennung zwischen uns das ist, was dir hilft, und ich frage mich, ob ich dir wirklich nicht anders helfen kann, aber vor allem denke ich daran, daß du mir diese Sache in den letzten sieben Jahren verschwiegen hast, und ich habe geglaubt, wir wären uns so nahe, und jetzt stellt sich heraus, daß du ein so schreckliches Geheimnis vor mir gehabt hast, und ... « Michael hörte auf zu sprechen, er überlegte, welche Ironie in dem Bild war, das er sich von ihrem Leben und den wunderbaren gesellschaftlichen Umständen gemacht hatte, über die harmonische Ehe, die sie mit ihrem angesehenen Mann führte, doch das sagte er nicht laut.
    »Woran denkst du?« fragte Maja, und Michael antwortete nach einem langen Schweigen: »Wenn es eine ›Beziehung‹ zwischen uns gibt, wie du es nennst, kann ich dann nichts anderes für dich tun, als diese Beziehung zu beenden?«
    »Nur vorläufig«, sagte Maja verzweifelt, und Michael überlegte, daß Multiple Sklerose noch zwanzig Jahre dauern konnte, doch auch das sagte er nicht.
    Er betrachtete ihre runden Knie, die zarte Hand, die auf der Sessellehne lag, und plötzlich stieg Zorn in ihm auf. Er versuchte nicht, ihn zu verbergen. »Das ist eine Falle!« brüllte er.
    »Du schreist«, sagte Maja, halb zweifelnd, halb fragend, »warum schreist du mich an?«
    »Das ist eine Falle«, schrie Michael noch einmal. »Was kann ich denn sagen angesichts deiner Schuldgefühle? Es ist selbstverständlich, daß du die Regeln bestimmst, immer bestimmst du sie, aber nie hast du mir so weh getan wie jetzt, und dabei hast du immer gesagt, ich wäre nicht spontan! Wer hat dir das Recht gegeben zu behaupten, du liebst mich, während du so etwas vor mir geheimgehalten hast? Was hast du geglaubt, was ich bin? Ein Baby? Daß ich es nicht aushalte? Auch das ist ein Wort, das du gerne benutzt. Aber was kann ich überhaupt sagen, schließlich bin nicht ich dein Mann, ich bin nur dein Liebhaber, und ich habe gedacht, wir wären auch Freunde, aber jetzt, plötzlich, wirfst du mir so etwas hin, und es stellt sich heraus, daß ich die ganzen Jahre nur deine Spielecke gewesen bin.«
    Maja, nachdem sie ein paarmal ihre Lippen bewegt und ihren Rock über den Knien glattgestrichen hatte, nutzte den Moment aus, in dem er schwieg, und schrie zurück: » Bist du nicht der berühmte Detektiv, hättest du es nicht wissen können, wenn du gewollt hättest? Glaubst du, es ist ein Zufall, daß du die ganzen Jahre nicht gewagt hast, irgend etwas zu fragen? Bist du es nicht, der die ganze Zeit behauptet, es gebe keine Zufälle? Wie kommt es, daß du es nicht gewußt hast?« Die Tränen, die ihre Stimme beim Sprechen erstickt hatten, fingen nun an zu fließen, groß und durchsichtig, und die kindliche Bewegung, mit der sie sich mit dem Handrücken über die Wangen fuhr, brach ihm fast das Herz. Und obwohl wieder Wellen von Wut in ihm aufstiegen, erhob er sich und ging zu ihr, zog sie vom Sessel, umarmte sie mit aller Kraft und wischte ihr sogar mit den Lippen die Tränen ab, doch sie sagte: »Sei nicht hart zu mir, Michael, bitte sei nicht hart zu mir, laß mich gehen, und ich werde zurückkommen, du wirst sehen, daß ich wiederkomme.« Er sagte schon nichts mehr, weil in seinem Herzen Wut, Zorn, Mitleid und Liebe miteinander stritten, und vor allem das scharfe Gefühl, betrogen worden zu sein.
    Er konnte nicht einschlafen. jedesmal wenn er die Augen zumachte, wurde er von einer neuen Welt des Zorns gepackt, danach von Selbstmitleid, und als er schließlich sah, daß es drei Uhr nachts war, gab er seine Versuche, einzuschlafen, auf und setzte sich in den blauen Sessel. (»Was hast du den ganzen Monat lang getan?« hatte Maja einmal gefragt, nach einem seiner Versuche, sich von ihr zu trennen. »Ich habe mich in die Arbeit gestürzt«, hatte er geantwortet, und er erinnerte sich sogar noch daran, welches Kleid sie damals angehabt hatte.) Er zog an der Schnur der Stehlampe und blätterte ein wenig in dem Buch von Anatoli Ferber, dem Buch, das er auf Tiroschs Bett gefunden hatte, und betrachtete die schwarzen Buchstaben, die kurzen Spalten. Er erinnerte sich an Ido Duda'is Gesicht, wie er es in dem Fernsehfilm gesehen hatte, danach daran, wie es am Strand in Eilat ausgesehen hatte, und dann dachte er an die Bemerkung Imanuel Schorrs in dem Café, und er wußte, daß der Schlüssel zu allem in dem Verhalten Duda'is während des Seminars lag, in dem Kampf, den er auf dem

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