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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Er setzte sich wieder auf die braune, trockene Erde und atmete tief den Gestank des schwelenden Müllhaufens ein. »Wirklich gar nichts. Ich verstehe überhaupt nichts mehr.«
    Jojo bückte sich und rollte die Flasche in eine vergilbte Zeitung, die er aus dem Transit geholt hatte. »Wir können mit keinem anderen über unseren Fund sprechen«, sagte er mit ernstem Gesicht. »Wir müssen tun, was für den Kibbuz gut ist.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann fügte er plötzlich hinzu: »Nur wir wissen davon.« In seiner erregten Stimme lag ein seltsamer Ton, merkte Mojsch, etwas, was vorher nicht dagewesen war. »Wir haben das Ding gefunden, nur wir wissen davon«, sagte Jojo.
    Mojsch blickte ihn erstaunt an und wartete, daß der andere weitersprach. Aber Jojo hatte es nicht eilig, seinen fragenden Blick zu beantworten. Als er dann anfing: »Das hat es noch nie gegeben, noch nie ist so etwas passiert ...«, erhob sich Mojsch und sagte mit weicher Stimme: »Komm, fahren wir zurück. Wir müssen anrufen und sagen, daß wir die Flasche gefunden haben. Mehr können wir nicht tun.«

Zwölftes Kapitel
     
    Sie hatten sich im Sekretariat eingeschlossen, während ein Techniker der mobilen Spurensicherung, den man aus Aschkelon mitgebracht hatte, sich mit der Flasche beschäftigte. Machluf Levi stand hinter dem Techniker, der gerade sagte: »Nichts. Nur Sand und Rußspuren und seine Fingerabdrücke.« Er deutete auf Mojsch, der sich ununterbrochen die Hände rieb.
    »Ich wüßte gerne, wie es weitergeht«, sagte Jojo. »Was machen wir jetzt?«
    Michael steckte sich eine Zigarette an. Er sog tief den Rauch ein, bevor er sachlich, als sähe er keinerlei Schwierig keiten, sagte: »Wir suchen weiter.«
    »Wie lange müssen wir die Sache mit uns herumtragen, ohne mit jemandem darüber zu sprechen, noch nicht mal mit unseren Frauen?« fragte Jojo. »Das ist ein unmöglicher Zustand.«
    »Ja, das ist schwer«, stimmte Michael zu und hörte selbst, wie kühl seine Stimme klang. »Aber im Moment gibt es keine andere Möglichkeit. Es dient der Sache.«
    »Und Sie sagen uns nicht mal, wie lange das noch dauern wird, bis ...«
    »Ich kann nicht sagen, was ich nicht weiß«, unterbrach ihn Michael. »Und Sie sind keine kleinen Kinder. Natürlich ist hier etwas Schreckliches passiert, aber man kann doch von zwei führenden Personen des Kibbuz verlangen, daß sie damit zurechtkommen.« Er verstand selbst nicht, warum er so feindlich reagierte. Zeig doch etwas mehr Sympathie, mahnte er sich selbst, aber es gelang ihm nicht. Etwas an Jojos Aufregung, an seinem klagenden Ton, etwas Dramatisches, das so gar nicht zu dem Mann paßte, der bisher immer gelassen und besonnen gewirkt hatte, ging Michael auf die Nerven, und plötzlich dachte er an die Autos, die auf der Strecke von Tel Aviv nach Jerusalem an der Stelle anhielten, wo der Bus 405 in die Tiefe gestürzt war. Tag um Tag hielten die Autos am Straßenrand, neben dem Ab grund, und Leute stiegen aus, um hinunterzuschauen, um das Unglück nachzuerleben. Er dachte an die Gänsehaut, die er bei diesem Schauspiel bekommen hatte. Nicht alle waren trauernde Angehörige oder Freunde der Verunglückten. An den letzten Tagen hatte er auf seinem Weg von Jerusalem nach Petach Tikwa immer wieder gedacht, daß manche von ihnen wohl einfach wissen wollten, wie es passiert war, andere wollten vielleicht ihren eigenen abstrakten Ängsten eine konkrete Form geben, ein Teil der Leute aber hielt dort aus einem ganz anderen Grund, über den Michael nicht nachdenken wollte und der in ihm die gleiche Wut und den gleichen Abscheu hervorrief, die er nun bei Jojos Ton empfand.
    »Sie müssen im Moment allein damit leben«, sagte er etwas mitfühlender und sah Mojsch an, dessen Gesicht deutlich die Spuren von Angst und Leid zeigte. »Das läßt sich nicht ändern.«
    »Aber wie wollen Sie ihn finden? Und was ist mit der Gefahr, in der wir alle schweben?« platzte es aus Jojo heraus. »Und wohin haben Sie Jankele gebracht? Was haben Sie mit ihm vor?«
    »Wir haben ihn nirgendwo hingebracht«, erklärte Mi chael geduldig. »Es hat sich herausgestellt, daß er ein paar Tage lang seine Medikamente nicht genommen hat, und angesichts der Situation hier könnte das gefährlich wer den.«
    »Und was suchen Sie jetzt in seinem Zimmer?« fragte Jojo. »Sie haben Glück, daß Fanja das noch nicht mitgekriegt hat. Aber sie wird es erfahren, Fanja erfährt am Schluß immer alles, und wenn es mit Jankele zu tun hat

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