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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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hier auf der Haupt straße des Marktes ruhig und dunkel, außer dem gelben Licht, das aus dem kleinen Café fiel, in dem ältere Leute bis zum frühen Morgen Karten spielten oder laut miteinander diskutierend Lottoscheine ausfüllten. Es waren auch einige Trinker da, die sich lieber in Gesellschaft vollaufen ließen. Schon beim Eintreten war Michael der ältere Mann mit dem dichten grauen Bart und den geröteten Augen aufgefallen, dessen abgetragene Kleidung für die heiße, trockene Jerusalemer Nacht viel zu warm aussah. Er verbreitete den Geruch eines Menschen, der in Kleidern geschlafen hat und der seit vielen Tagen nicht mehr mit Wasser in Berührung gekommen ist. Auch jetzt, mit dem Rücken zu ihm, konnte Michael den Anblick des grauen, schmutzigen Bartes und der geröteten Augen nicht vergessen, ein Anblick, der mit Daves Gelächter, das er noch immer in den Ohren hatte, zu einer Einheit verschmolz.
    Vor Schorer, auf dem kleinen Tisch mit der klebrigen Platte, stand ein großes, volles Bierglas. Awigail bestellte Pfefferminztee und Burekas, gefüllte Blätterteigtaschen, die warm und heiß serviert wurden, und vor Michael standen, trotz Schorers grinsend vorgebrachten Bemerkungen, eine kleine Tasse mit türkischem Kaffee und ein Glas kaltes Wasser. Michael bewegte den Kopf, wie um die Eindrücke des Tages abzuschütteln, die Geräusche, die noch in seinen Ohren nachhallten, Gutas letzte, zischend ausgestoßenen Worte, Fanjas Geschrei und Daves Gelächter, das nicht etwa satanisch gewesen war. Eher das warme, gutmütige und befreiende Lachen eines Mannes, der sich in Ruhe alles anhört und betrachtet, und dann dem Lachen freien Lauf läßt.
    »In ein paar Stunden fängt sie also ihre Arbeit an«, sagte Schorer nachdenklich, »und dort ist jetzt der Teufel los.« Dann drehte er sich auf seinem kleinen Hocker zu Michael und fragte voller Panik: »Hast du mit Nahari gesprochen? Weiß er schon, daß du die Katze aus dem Sack gelassen hast?«
    »Ja, ich habe mit ihm gesprochen, er weiß es«, antwortete Michael.
    »Und was hat er gesagt?« fragte Schorer, und seine Neugier verdrängte die Panik.
    »Er hat gesagt, ich hätte mich vorher mit ihm beraten können.« Michael lächelte. »Obwohl er, wie er gesagt hat, das Gefühl hatte, ich würde so etwas tun. Mein Auftrag habe aber gelautet, nichts allein zu unternehmen, und ich hätte vorher den Rat eines Psychologen anfordern sollen, was vermutlich auch stimmt. Trotzdem wollte ich, scheint mir, daß es spontan passiert.« Dann gab er zu: »Vielleicht habe ich auch einfach nicht daran gedacht.«
    »Da bist du aber noch gut weggekommen«, meinte Schorer und schaute zu Awigail, die vorsichtig die frischen grünen Pfefferminzblätter aus ihrem Teeglas fischte und auf den inzwischen leergegessenen Burekasteller legte.
    »Wie meinst du das?« fragte Michael.
    Schorer nahm einen Schluck Bier und sagte: »Nun, daß er dich nicht angebrüllt und zusammengeschissen hat.«
    Michael lächelte fein. »Wer sagt denn das? Du hast nicht nach Einzelheiten gefragt. Er hat mir auch eine Rede darüber gehalten, daß hier nicht der Distrikt Jerusalem wäre, daß alle mindestens so intelligent wären wie ich, und ob ich noch nie was von Teamarbeit gehört hätte. Ich würde mein Team nicht einsetzen, hat er gesagt, die mir zur Verfügung stehenden Resourcen nicht ausnützen, das waren seine Worte.«
    »Womit er recht hat«, sagte Schorer und schaute Michael direkt an. »An deiner Stelle würde ich mir nicht so viel darauf einbilden.«
    »Wieso einbilden?« protestierte Michael.
    »Du läufst mit dem Gefühl herum«, stellte Schorer erbarmungslos fest, »als würdest du diesen ganzen Kibbuz auf den Schultern tragen, als müßtest du sie retten und ihnen die Wahrheit über sich selbst beibringen. Du machst ein Gesicht und lächelst, als würdest du die Geschicke der Kibbuzbewegung tragen. Du, der Mann, der die Bombe gelegt hat und allein die Folgen dafür trägt.« Er trank den letzten Schluck aus seinem Bierglas. »Als wärst du der einzige Mensch auf der Welt, der was davon versteht.«
    »Warum bist du so sauer auf mich?« fragte Michael erstaunt, und dann, nach einem Blick auf Awigail, fügte er hinzu: »Ist es wegen ihr, weil du dich in eine Falle gelockt fühlst?«
    »Sag mir bloß nicht, was meine Motive sind«, schimpfte Schorer. »Tu nicht so, als wüßtest du im voraus, wie ich mich verhalten werde.« Er blickte sich um. Die Trinker schauten zu ihnen herüber, die Lottospieler waren

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