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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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noch verwendet hat. Dave, der Kanadier, hat gesagt, daß Srulke an dem Tag, als man ihn tot gefunden hat, die Rosen gespritzt hat. Ich habe heute, nach der Sache mit Guta, ein langes Gespräch mit Dave geführt, und er war es, der mit dieser Idee angekommen ist.«
    »Weiß Nahari davon?« fragte Schorer mißtrauisch.
    »Was geht das Nahari an?« sagte Michael gereizt. »Warum machst du dir Sorgen um ihn?«
    »Ich mache mir keine Sorgen um ihn, ich mache mir Sorgen um dich. Ich möchte, daß alles seine Ordnung hat und du nicht im Alleingang vorpreschst. Nahari ist dein Vorgesetzter, du kannst nicht mit Dingen zu mir kommen, ohne mit ihm gesprochen zu haben. Und ich mache mir Sorgen um mich, ich will keinen Ärger mit ihm. Du kannst ihn nicht einfach übergehen und zu mir kommen, damit ich alles für dich regle wie ein Vater oder so ...« Er hatte mehr gesagt, als er gewollt hatte. Verwirrt schaute er Michael an, der den Blick senkte und das halbleere Wasserglas in den Händen drehte und dann einen Schluck nahm. Schorer atmete tief ein und fuhr fort, wobei er sich bemühte, die angespannte Atmosphäre zu ignorieren: »Wie ich schon gesagt habe: Er ist nicht Arie Levi, und er ist nicht erst gestern auf die Welt gekommen. Also weiß er es oder nicht?«
    »Er weiß es«, sagte Michael widerwillig. »Er weiß es.«
    Awigail stützte das Kinn in die Hand. Sie schwieg, und eine Weile lang sah es so aus, als hätten die beiden Männer ihre Anwesenheit vergessen. Aber Michael war sich die ganze Zeit ihrer schmalen Gelenke bewußt, die aus den Hemdärmeln kamen, und fragte sich, warum sie bei dieser Hitze lange Ärmel trug. Was für einen Mythos baute sie um sich herum auf, was versuchte sie zu verheimlichen, was versteckten diese langen Ärmel? Als er nun selbst Pfefferminztee bestellte, fielen ihm die Kartenspieler auf, die laut lärmten und lachten. Er schaute hinaus auf die Straße, auf der ab und zu ein Auto vorbeibrauste und mit quietschen den Reifen neben dem Café um die Kurve fuhr. Die Straße war dreckig. Faules Obst lag herum, zerdrückte Kartons, Plastiktüten, leere Zigarettenschachteln. In der Luft hing ein Geruch nach Abfall und Staub, und Michael hatte das Gefühl, selbst schmutzig zu sein, staubig und klebrig vom vergangenen Tag, erschöpft von der Fahrerei von Jerusalem nach Petach Tikwa, von dort zum Kibbuz und dann zurück nach Jerusalem, von den ständigen Konfrontationen mit Menschen und den Telefongesprächen mit Nahari.
    Nun tat es ihm leid, daß er nicht zu Hause vorbeigefahren war, er hatte nur angerufen, um zu sehen, ob Juwal angekommen war. Er war angekommen, er hatte selbständig die Waschmaschine in Betrieb gesetzt, hatte er gesagt, und seine Uniform gebügelt. Er hatte nur bis zum nächsten Morgen frei, und jetzt schlief er vermutlich längst. Ich werde ihn nur morgen früh kurz sehen, dachte Michael, als er sich an das Telefongespräch erinnerte, das er mit seinem Sohn vom Kibbuz aus geführt hatte, vor seiner Abfahrt. In Juwals Stimme hatte keine Ironie gelegen, als er gesagt hatte: »Komm doch hier vorbei, Papa, wenn du kannst. Es wäre schön, wenn wir uns mal wieder sehen.« Juwal hatte nichts von seiner bedrückenden Situation gesagt, doch Michael verstand ihn – gerade weil kein Ärger und keine Bitterkeit in Juwals Stimme lagen, wegen des sanften, erwachsenen Tons, dem etwas von dem Mitleid anzumerken war, das nur jemand fühlt, der das Leid kennengelernt hat. Hinter dem Mitleid verbarg sich auch Einsamkeit, und wieder dachte Michael daran, daß der Aufenthalt in Bethlehem Juwal erwachsen gemacht hatte, älter, ihm die Jugend geraubt. Hätte Juwal keine Freundin, dachte Michael nun, als das Teeglas vor ihn hingestellt wurde – was Schorer dazu brachte zu schweigen, bis der Kellner wieder weg war –, würde er sich bestimmt noch mehr Sorgen um ihn machen. Doch auch diese Beziehung war nicht gerade heiter, denn das Mädchen arbeitete bei der Militäranwaltschaft in Gasa, und sie und Juwal konnten sich nur selten sehen. Michael dachte oft an das Bild, das die beiden vor ihrer Einberufung geboten hatten, wie kindlich und naiv sie ihm in ihrer Schüchternheit vorgekommen waren. Wie verlegen das Mädchen an den Wochenenden war, an denen Juwal sie zu seinem Vater mitgenommen hatte, wie ernsthaft sie von ihrer »Gruppe« sprach, der Nachal-Einheit, zu der sie beide gehört hatten, und wie unbeholfen sie ihre Motive, die Gruppe zu verlassen, zu erklären versuchte. Die paar Male, die er sie

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