Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
still ge worden, nur die drei Kartenspieler spielten weiter, als hät ten sie nichts gehört. Schorer senkte die Stimme. »Nein, es ist nicht wegen ihr, sondern weil du im Alleingang gearbeitet hast, ohne die Gefahr zu sehen, die du auf dich genommen hast. Ich sage nichts darüber, daß es jetzt einen Giftmörder gibt, der weiß, daß alle von seiner Tat wissen, und der deswegen noch gefährlicher werden könnte. Nein, darüber spreche ich nicht. Und sage mir nicht«, er breitete die Hände aus, um Michael zurückzuhalten, »sage mir nicht, daß du Machluf Levi und seine Leute dort zurückgelassen hast, denn du weißt sehr gut, daß es mir hier nicht um physische Gefahren geht. Ich spreche über die psychologischen Gefahren, über die Folgen einer solchen Bombe. Ich brauche dir nicht zu wiederholen, daß es so etwas noch nie gegeben hat. Du hast mit keinem Menschen abgesprochen, daß du vorhast, die Geschichte öffentlich zu machen. Die Leute dort sind nicht auf so etwas vorbereitet, das hast du bei deinen Überlegungen nicht bedacht. Und du machst einfach weiter, läufst dort rum und redest mit diesem amerikanischen Freak.«
»Kanadisch«, korrigierte ihn Michael.
»Von mir aus kanadisch. Und dann kommst du mit irgendwelchen Einfällen zu mir. Aber die Leute dort hast du mit dem Gefühl allein gelassen, daß es unter ihnen einen Mörder gibt. Dreihundert Chawerim.«
»Dreihundertvierundzwanzig«, verbesserte Michael.
Er ignorierte den Blick, den Schorer ihm zuwarf, als er fortfuhr: »Wer bin ich denn, etwa Arie Levi, daß du so mit mir sprichst? Vielleicht ist dir der Erfolg wirklich in den Kopf gestiegen.«
Awigail tippte an ihr leeres Glas und räusperte sich.
»Ich warte absichtlich nicht so lange, bis wir allein sind«, schimpfte Schorer weiter. »Ich will keine Diskretion. Ich Idiot habe dir erlaubt, sie dort hinzuschicken, bevor du die Sache öffentlich gemacht hast. Du hast mir gesagt, nur vier Leute wissen Bescheid, daß es sich um einen Mord handelt. Du hast mir nicht gesagt, daß du drauf und dran bist, alles im Kibbuz herumzuposaunen.« Er wandte sich an Awigail. »Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß Sie an einen höchst sensiblen Ort kommen, in eine Panikstimmung, und daß Sie viel Arbeit erwartet. Leute, die sich ein bißchen unwohl fühlen, werden unter solchen Umständen wirklich krank, und andere, die immer ruhig und beherrscht waren, werden plötzlich die reinsten Hysteriker. Es läßt sich über haupt nicht voraussagen, wie sie sich verhalten werden, man bräuchte dort einen Psychologen.«
»Den wird es geben«, sagte Michael. »Ich habe darum gebeten, daß einer hingeschickt wird.«
Schorer seufzte. »Nun, ich weiß nicht«, sagte er in ruhigerem Ton, »aber du mußt aufhören, immer alles allein zu machen. Vielleicht hast du jetzt mit Awigail keine andere Wahl, als mit ihr zusammenzuarbeiten.«
Michael schwieg. Dann sagte er: »An dem, was du gesagt hast, ist etwas dran. Aber wir haben einfach festgesteckt. Es ist nicht so, als hätte ich das Ganze während einer Teamsitzung beschlossen und für mich behalten. Die Idee hat irgendwo vor sich hin gebrodelt und ist plötzlich konkret geworden, als ich Fanja sah und mit Guta gesprochen habe. Erst da ist mir klargeworden, daß ich etwas tun muß, um das Ruder herumzureißen.«
»Gut, lassen wir das jetzt«, sagte Schorer ungeduldig. »Es hat keinen Sinn, weiter darüber zu diskutieren, spiel dich nur nicht auf, als wärest du Gott. Es ist sehr gefährlich, wenn ein Mensch anfängt, sich für Gott zu halten. Kommen wir jetzt zur Hauptsache. Was für eine Geschichte hast du gehört?«
»Willst du den ganzen Text hören oder nur die Schlagzelle?«
»Beides. Erst die Schlagzeile und dann, falls erforderlich, den ganzen Text.«
Michael schwieg. »Ich frage mich«, sagte er nach einiger Zeit, »wie ich es formulieren soll, ohne daß es sich komplett abartig anhört. Vielleicht sollte ich es ganz einfach sagen. Also die Schlagzeile ist, daß Srulke vielleicht nicht an einem Herzschlag gestorben ist, sondern an einer Parathionvergiftung.«
»Srulke?« fragte Schorer langsam. »Wer war dieser Srulke gleich wieder?«
»Srulke war der Vater von Mojsch, dem Kibbuzsekretär. Einer aus der Gründergeneration, fünfundsiebzig, zustän dig für die Landschaftsgärtnerei. Er starb vor fünf Wochen an einem Herzschlag, wie man annahm, aber es ist die Idee aufgetaucht, es könnte Parathion gewesen sein, denn er war der einzige, der dieses Zeug
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