Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
gesehen, eine richtige Kibbuznikit.«
»Ja«, sagte Michael, »das ist sie wirklich. Und wie! Mit einer guten Herkunft. Er wollte einfach niemandem von seiner geisteskranken Schwester erzählen. Ich habe sie gesehen. Ein vegetierendes Etwas. Sie spricht nicht, sie nimmt nichts wahr. Sie braucht elementare Pflege, sie muß gewaschen werden und alles. Es gibt Phasen, in denen sie künstlich ernährt werden muß.«
»Wie ist er plötzlich auf die Idee gekommen?« sagte Beni. »Wieso hat er so viele Jahre später sein schlechtes Gewissen entdeckt und sie in eine Privatklinik gebracht?«
»Das kann er selbst nicht erklären. Ich glaube, dabei spielt das Älterwerden eine gewisse Rolle. Er hätte ohne sie keine Vergangenheit, hat er gesagt.«
»Und warum hat er es dann nicht im Kibbuz erzählt und um Hilfe gebeten?« fragte Sarit.
»Und ihnen erklärt, daß er sie all die Jahre im Stich gelassen hat? Nur Srulke wußte davon, hat er gesagt. Und Srulke war offenbar ein sehr ernster Mensch, er hat die Sache für sich behalten. Und Jojo konnte es noch nicht mal seiner Frau erzählen, er wollte nicht, so hat er gesagt, daß man sich im Kibbuz darüber das Maul zerreißt.«
»Was hat er sich denn gedacht?« sagte Sarit ungeduldig. »Daß er sie einfach immer dort lassen kann, ohne daß es jemand erfährt, und dafür zehntausend Schekel im Monat bezahlt?«
»Er hat es sich so gedacht«, sagte Nahari kühl, jedes Wort betonend, »daß er sich selbst einen winzigen Teil«, er demonstrierte an der Zigarre, wie klein er meinte, »von den anderthalb Millionen Dollar nimmt, die er aus der Schweiz bekommen hat, um für seine Schwester einen guten Platz zu suchen. Das ist es, was er sich gedacht hat.«
»Das einzige Problem war, daß Osnat es herausgefunden hat«, bemerkte Beni.
»Los, gehen wir die Sache noch einmal durch«, sagte Nahari und breitete die Blätter vor sich aus.
»Ich habe alle Bänder von den Verhören abgetippt«, sagte Sarit. »Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe, ich habe wie eine Verrückte gearbeitet.«
»Alle Achtung«, sagte Nahari mit einem Blick auf die Seiten. »Übrigens, er heißt Elchanan, das ist sein richtiger Name. Elchanan Birnbaum. Keine Ahnung, wie daraus Jojo geworden ist. Seinen Familiennamen hat er zu Eschel hebräisiert. Ihre Theorie ist vermutlich richtig.« Er schaute Michael an, der erst jetzt so etwas wie Scham über seine, wie er meinte, zu privaten, persönlichen Äußerungen empfand. »Perlen vor die Säue geworfen«, hatte Fela, seine ExSchwiegermutter, es immer genannt, wenn sie ihrer Tochter ausführlich erklärte, wie man »gefilte fisch« machte.
»Angeblich«, sagte Nahari, »ist alles zufällig passiert. Er hat ausgesagt, daß er über anderthalb Millionen Dollar, so steht es hier, von der Schweizer Firma angenommen hat, um den Kibbuz aus dem Schlamassel zu holen, als die Bankaktien kollabiert sind. Er hat für das Geld – außer dem Anteil, den wir entdeckt haben – Staatsanleihen gekauft, sichere Papiere ohne besonderes Risiko, aber auch nicht gerade mit astronomischen Gewinnen.«
»Und wie ist er eigentlich an die Formel gekommen?« fragte Beni plötzlich.
»Es steht alles da«, sagte Michael. »Wir haben den Chemiker vom Pathologischen Institut eingeschaltet. Jojo hat Chemie studiert, er hat das Vordiplom gemacht und dann Landwirtschaft in Rechowot studiert. Er hat die Formel von Dave. Dem ist es nicht in den Sinn gekommen, Jojo gegenüber vorsichtig zu sein, er hat ihm alles erklärt. Außerdem hatte er Schlüssel für den Safe, wir haben es mit einem Mann zu tun, der zu allem Zugang hatte und der wußte, wie man eine Formel liest. Es gab einen Verbindungsmann in der Schweiz, der sie anfangs, als sie das Werk aufbauten, beraten hat. Die Schweizer haben ihnen die ganze Zeit Angebote gemacht. Aber wir wollen jetzt nicht anfangen, das Problem der Industriespionage zu erörtern, schade um die Zeit.«
»Ich kapiere einfach nicht, wie du das alles rausgekriegt hast«, sagte Sarit zu Michael.
Die angespannte Atmosphäre im Raum war fast zum Greifen, bis Nahari mit beherrschter Stimme sagte: »Das ist wirklich beeindruckend. Und so schnell. Aber dafür sind Sie hier. Man behält hier nicht einfach irgendwen.«
Michael räusperte sich. »Es gehört schließlich auch eine Portion Glück dazu. Ich möchte nicht überbescheiden sein, aber zum Teil war es auch Glück. Vor allem die Sache mit dem Broker. Wir haben bei den Banken nachgeforscht und nichts gefunden. Es war
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