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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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sich sah, in dem die blauen Augen herausstachen, die grauen Haare im Römerschnitt, erschienen ihm die Bilder aus der psychiatrischen Klinik sehr fern und irreal. Er beschrieb sie den anderen auch nicht, sondern sagte nur: »Alles stimmt. Es ist seine Zwillingsschwester. Bevor man sie hierher ins Land gebracht hat, hat er schon darum gebeten, von ihr getrennt zu werden. Sie war schon damals krank. Außer Srulke hat niemand davon gewußt.«
    »Und woher hat Srulke es gewußt?« fragte Sarit.
    Nahari blickte schweigend aus dem großen Fenster.
    »Srulke hat ihn damals in den Kibbuz gebracht«, antwortete Michael.
    »Jeder macht so seine Jobs«, sagte Beni, ohne zu lächeln. »Wann war das?«
    »Neunzehnhundertsechsundvierzig«, antwortete Mi chael. »Jojo war damals sechs, und man hat nie erfahren, wie die Zwillinge getrennt wurden, und ob er wirklich, wie er behauptet, es so verlangt hat.«
    »Man weiß auch nicht, wie sie den Krieg überstanden haben, wie sie am Leben geblieben sind«, warf Sarit ein.
    »Vieles ist unklar«, sagte Nahari, »aber eines ist sicher: Vor einem Jahr hat er nach ihr gesucht, sie gefunden und in diese Anstalt gebracht. Für zehntausend Schekel im Monat.«
    »Und niemand im Kibbuz hat davon gewußt«, betonte Sarit.
    »Sie haben noch nicht mal gewußt, daß er eine Schwester hat«, sagte Beni erstaunt. »Die ganzen Jahre hat niemand gewußt, daß er eine Schwester hat.«
    »Ich glaube, sie dachten, er hätte eine Schwester gehabt, die umgekommen ist, mit der ganzen Familie, und er wäre alleine übriggeblieben«, sagte Michael.
    »Zehntausend Schekel im Monat«, murmelte Nahari. »Menschen sind das!«
    »Er hätte sie doch einfach in den Kibbuz bringen können«, sagte Sarit. »Dort hätten sie doch für sie gesorgt. Ich verstehe das einfach nicht.«
    Michael Ochajon atmete tief. »Schau«, sagte er und starrte auf die Glasplatte, die auf dem Tisch lag. »Was ich jetzt sage, ist vielleicht persönlich, aber es könnte uns helfen, ihn zu verstehen.« Im Zimmer wurde es still. Alle blickten ihn erwartungsvoll an. »Wie alt war ich, als ich ins Land gekommen bin? Ein Kleinkind von drei Jahren. Keiner weiß genau, was ein dreijähriges Kind überhaupt mitbekommt, an was es sich erinnert, was es versteht. Aber an eine Sache von damals erinnere ich mich.« Er hob den Blick zu Nahari, der ihn interessiert anschaute, ernst, überhaupt nicht ironisch. »Ich erinnere mich, daß ich die ganze Zeit von dem Wunsch verfolgt wurde, so zu sein wie die anderen, diese Israelis, die im Land geboren sind. Ich wäre bereit gewesen, viel dafür zu tun, damit sie nicht erfahren, daß ich nicht hier geboren bin. Wir tun immer, als sei das nur ein Problem der orientalischen Einwanderer, der Marokkaner. Dabei wissen wir doch sehr gut, daß auch die aus Polen und anderen Ländern diesen Wunsch hatten.«
    Michael zündete sich eine Zigarette an, sog tief den Rauch ein. Bevor er weitersprach, warf er einen Blick zu Sarit, und sie senkte die Augen. »Der Wunsch, die Vergangenheit zu verwischen, in das einzutauchen, was man in den ersten Jahren den ›Schmelztiegel‹ genannt hat.«
    Nahari seufzte, aber seine Miene änderte sich nicht. Er hörte aufmerksam zu.
    »Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was mit einem sechs-, siebenjährigen Jungen passiert, den man in einen Kibbuz bringt, in ein Kinderhaus, und der eine Schwester hat, die verrückt ist, wirklich verrückt, der von draußen kommt, aus der Diaspora, aus dem Holocaust. Der nur sie hat, sonst niemanden auf der Welt. Was kann er tun, um zu überleben? Schauen Sie sich Jojo an, sogar sein Name! Warum wurde ein kleiner Junge aus Polen Jojo genannt? Es ist noch nicht mal ein israelischer Name, es ist ein marokkanischer, und noch nicht mal einer, auf den ein Marokkaner stolz wäre. Wieso war er einverstanden damit, diesen Namen zu bekommen?«
    »Das mit den Namen im Kibbuz ist eine Sache für sich«, sagte Nahari. »Wie solche Rufnamen entstehen, man könnte ein ganzes Buch darüber schreiben, ich wüßte auch viel dazu zu sagen. Aber machen Sie weiter.« Er stützte wieder das Kinn auf die Hand.
    »Ich stelle ihn mir vor, ein fremder Junge, allein in einem Kibbuz, der versucht, sich eine Identität aufzubauen. Er wächst dort auf, er kämpft im Krieg als Offizier, er trägt kurze Hosen und Sandalen, er ist verantwortlich für die Baumwolle, alles was man will, er heiratet im Kibbuz ...«
    »Seine Frau wartet draußen«, unterbrach ihn Sarit. »Ich habe sie

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