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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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deswegen, weil er den Kibbuz verlassen hat. Und das werde ich auch tun, wenn ihr mir keine Wahl laßt. Wenn diese Dummköpfe kommen, die von nichts eine Ahnung haben, und das sagen, was sie vor vier Jahren über Joel gesagt haben, als alle Welt seine Bilder schon anerkannt hat, dann bleibe ich nicht hier.«
    »Chawerim«, sagte Dworka ruhig, als die Erregung um sie herum wieder nachgelassen hatte. »Ich möchte etwas sagen.« Sie stand auf. »Es geht uns doch darum, Ungerechtigkeiten zu verhindern und die Gleichheit zu sichern, die wir anstreben, das Gleichgewicht zwischen den Wünschen des einzelnen und den Bedürfnissen der Gemeinschaft. Wir sollten darüber nachdenken, was wir tun können, um eine Gesellschaft wie die unsere zu erhalten.«
    Die Kamera zeigte nun den erstaunten Ausdruck auf Gutas Gesicht. Fanja strickte weiter, als sei nichts passiert.
    »Wir brauchen Künstler«, fuhr Dworka ernst und gelas sen fort. »Wir brauchen Künstler, hier bei uns, wir brau chen Kunst. Wir sollten nicht so rigide sein und einem begabten Chawer Steine in den Weg legen. Uns geht es finanziell ziemlich gut, es gibt keinen Grund, auf diesem Gebiet zu sparen.« Sie warf einen Blick auf die Gruppe junger Leute, die hinter Towa saßen. »Vielleicht sollten wir lieber über unsere Haltung gegenüber dem einzelnen nachdenken, statt darüber, ob die Kinder bei den Eltern schlafen sollen, und andere Themen, die der Zeitgeist aufbringt.«
    »Also was schlägst du vor, Dworka?« fragte Schula verwirrt.
    »Ich schlage vor, daß wir noch einmal grundsätzlich über diese Sache nachdenken«, sagte Dworka. Matilda richtete sich auf, und Se'ew Hacohen legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
    Die Mitglieder stimmten dafür, die Frage zu verschieben, und Schula stand auf, um den nächsten Tagesord nungspunkt vorzubringen, doch Ilan T., mit einem Blick auf Matilda, die nicht aufhörte, vor sich hin zu murmeln, rief erregt: »Osnat hatte ein Gefühl für solche Dinge, sie war der einzige Mensch hier, der Künstler schätzte, sie wußte, was Kunst bedeutet.«
    »Uns allen tut ihr Tod weh«, sagte Se'ew Hacohen, »und es gibt hier noch andere Chawerim, die Kunst zu schätzen wissen. Wir müssen auf eine freundschaftliche Atmosphäre bei der Sicha achten, wir haben noch mehr zu besprechen. Sag keine Dinge, Ilan, die dir später leid tun, schließlich ist das hier dein Zuhause.«
    Michael und Awigail konnten Ilans gemurmelte Reak tion nicht verstehen, der nun aufstand und zum Ausgang lief. Alle taten so, als sei nichts passiert, und stimmten schnell über die Aufnahme der Familie Maimodi ab, die sich in den anderthalb Jahren Anwartschaft so gut eingelebt hatte. Zehn Gegenstimmen und zwei Enthaltungen hatte Schula gezählt, bevor sie mitteilte, die Maimodis seien hiermit als Kibbuzmitglieder aufgenommen.
    Erst jetzt wandte sich Schula an Mojsch und erteilte ihm die Erlaubnis, über den letzten Punkt der Tagesordnung zu sprechen. Awigail, die sich inzwischen gespannt aufgerichtet hatte, schlug nun ein Bein über das andere und streckte den Rücken. Michael zündete sich erneut eine Zigarette an. Etwas von der Spannung, die sich im Speisesaal verbreitete, ging auf sie in ihrem kleinen Zimmer über, dessen Fenster geschlossen waren und in dem, wegen der dunklen Vorhänge, eine höhlenartige Atmosphäre herrschte.
    »Vor fast zwei Wochen«, sagte Mojsch mit einem Gesicht, das blasser als gewöhnlich war, »haben wir Osnat verloren.« Im Speisesaal herrschte eine bedrückende Stille. Se'ew Hacohen senkte den Kopf, auch die anderen Mitglieder der Ausschüsse, die neben Mojsch saßen, senkten die Köpfe. Dworka zuckte nicht mit der Wimper, sie preßte nur schnell die Lippen noch fester aufeinander, bevor sie sie wieder locker ließ. »Seit Osnats Tod sind wir nicht mehr recht zur Besinnung gekommen«, fuhr Mojsch fort. Mi chael wunderte sich über seine feierliche Sprache, dann sah er, daß Mojsch ein Blatt Papier auf den Knien hielt und immer wieder einen Blick darauf warf. »Und wir werden nicht zur Besinnung kommen, bis wir nicht herausfinden, wer ...« Seine Stimme brach. Als er sich gefaßt hatte, sprach er weiter: »Aber nicht davon wollte ich heute sprechen, sondern darüber, was wir der Einfachheit halber ›ihr Lebenswerk‹ nennen wollen.«
    Im Speisesaal war es völlig still. Nur Mojschs Stimme und sein hastiges Atmen waren zu hören. »Ich möchte vorher nur noch anmerken, daß wir volles Vertrauen in Jojo haben und nicht an seiner Unschuld

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