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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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sei »eine deutliche Verbesserung, und wir hoffen, daß das nur der Anfang ist und nicht ein einmaliges Phänomen.« Sie warf Mojsch einen fragenden Blick zu, dann sagte sie: »Trotz allem, was bei uns passiert, muß das Leben weitergehen, wie ...« Sie suchte nach dem richtigen Wort, und jemand aus dem Publikum half ihr: »... wie normal.«
    »Jojo ist heute nicht da«, fuhr Schula verlegen fort, »deswegen verschieben wir die Diskussion über Finanzen auf das nächste Mal.« Dann wurden die Tagesordnungspunkte vorgelesen, zu denen auch der Arbeitseinsatz für die Pflaumenernte gehörte. Schula trug ihr Anliegen vor und schloß mit den Worten: »Chawerim, wollt ihr bezahlte Fremdarbeit bei der Pflaumenernte? Zwar wird die Jugendorganisation ein Arbeitslager organisieren, aber ich bitte trotzdem um eure Unterstützung. Es ist auch so schwer genug.«
    Michael schaute Mojsch an, der an seinem Bleistift kaute und sich jedesmal, wenn er ihn aus dem Mund nahm, um etwas zu notieren, auf die Lippe biß. Er betrach tete auch die alten Leute und Jochewed, deren Stirn naß von Schweiß war. Er bemerkte die tiefen Furchen in Matildas Gesicht und das dünne Taschentuch in ihrer Hand. Schon Jahre hatte er so eines nicht mehr gesehen.
    Schula stellte den zweiten Punkt vor: Ob man Ilan T. drei Tage in der Woche von der Arbeit befreien wolle, damit er Zeit habe zum Malen. »Um genauer zu sein«, sagte sie mit einem Blick auf das Gesuch, »möchte er zwei Tage in der Woche in dem Zimmer neben dem alten Kuhstall malen, das wir ihm zur Verfügung gestellt haben, und einen Tag nach Tel Aviv fahren, für Studienzwecke und so.«
    »Jetzt wirst du sehen, was das heißt, Kibbuz«, sagte Awigail. »Paß gut auf.«
    Im Speisesaal entstand Gemurmel und eine plötzliche Bewegung, als ob die Leute plötzlich alle auf ihren Stühlen herumrutschten. »Der Ausschuß hat sein Gesuch abgelehnt«, sagte Schula jetzt lauter, »und wir haben beschlossen, den Fall vor die Sicha zu bringen.«
    Awigail ging zum Fernseher und deutete auf den langhaarigen jungen Mann in kurzen Hosen, der am Rand der zweiten Reihe saß, eine Schachtel Zigaretten in der Hand, und aufgeregt den Kopf hin und her bewegte.
    Fünf Leute meldeten sich zu Wort. Matilda war die letzte, sie sagte: »Uns fehlen Hände, die zupacken, und wir wollen keine bezahlte Fremdarbeit, und er hat im vergangenen Jahr schon freibekommen. Was gibt es dazu also noch zu sagen?«
    Guta, die nicht weit von ihr saß, nickte zum Zeichen der Zustimmung heftig mit dem Kopf.
    »Wenn jeder hier einfach beschließen kann, daß er Künstler ist ...« rief Jochewed.
    Da platzte Ilan T. mit vor Zorn rotem Gesicht und kaum unterdrückter Wut heraus: »Ihr macht euch ja lächerlich. Ich habe schon Ausstellungen gehabt, und alle, außer euch, erkennen mich als Künstler an. Das hier ist der einzige Ort in der Welt, wo sich ein Mensch genieren muß, wenn er Künstler ist.« Den Lärm, der nun entstand, übertönte er mit seinem Schreien. »Das ist der einzige Ort, wo es nicht nur keine Ehre ist, Künstler zu sein, sondern sogar eine Schande, weil man nicht produktiv arbeitet. Ich brauche euch nicht zu bitten, um gar nichts.«
    »Einen Moment«, ließ sich Se'ew Hacohen vernehmen. Er hatte sich aufgestellt, mit dem Gesicht zu Ilan. »Ich habe einen Vorschlag. Schließlich müssen wir zu einem konstruktiven und vernünftigen Ergebnis kommen.« Dworka nickte.
    Ilan T. schwieg und fuhr sich mit leicht zitternder Hand durch die langen Haare. Die Frau, die neben ihm saß, berührte sein Knie, und Awigail sagte: »Das ist Diza, seine Frau, sie ist aus Haifa hergekommen. Beide waren als Mitglieder des Nachal hier und sind geblieben. Jetzt leben sie schon seit über zwölf Jahren hier.«
    »Ich schlage vor«, sagte Se'ew Hacohen in die nun eintretende Stille, »daß wir das machen, was wir in einem ähnlichen Fall schon einmal gemacht haben: Wir bestellen uns Fachleute von der nationalen Kibbuzbewegung. Sie sollen kommen, Ilans Arbeiten begutachten und uns weiter beraten. Sollen sie doch entscheiden, ob Ilan eine spezielle Förderung verdient.«
    »In einem ähnlichen Fall!« fauchte Ilan. »Ich weiß, auf was du anspielst. Da haben diese Fachleute geraten, den Betreffenden in psychiatrische Behandlung zu schicken. Sie haben gesagt, seine Bilder würden zeigen, daß er verrückt ist. Und falls ihr es nicht wißt«, an seinem Hals traten die Sehnen hervor, »heute ist er ein erfolgreicher und berühm ter Künstler, nur

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