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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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auch geschehen ist. Das ist nicht der Hauptpunkt. Was mich beunruhigt, ist die Frage der Gleichheit. Um Männern und Frauen gleiche Bedingungen zu schaffen, mußten wir auf Einzelerziehung verzichten. Wenn nun die Kinder bei ihren Familien wohnen, wird dieser Wert zerstört. Dazu wäre aus prinzipieller Sicht noch viel zu sagen, aber das ist nicht der Zeitpunkt für eine derartige Diskussion.«
    Michael sah, daß sich Gutas Gesicht vor Wut und Haß verzerrte. »Warum sagst du nichts über die Altensiedlung, mit der sie ihre Wohnungsprobleme lösen wollen? Warum redest du nicht darüber? Als ich mich das letzte Mal be schwert habe, daß wir keine neue Wohnung bekommen, hat Osnat gesagt, daß der Wohnungsausschuß ein neues Projekt plant. Das ist doch wohl diese Siedlung für Alte, wo sie auch Wohnungen an Leute aus der Stadt verkaufen wollen, wenn wir knapp mit dem Geld sind, oder etwa nicht?«
    »Guta«, sagte Mojsch flehend, »Guta, bitte!«
    »Ihr wollt uns einfach rauswerfen, ohne jeden Grund«, schrie Guta. »Das ist eure Vision!«
    »Damit die Alten euch nicht stören, wenn ihr neumodischen Kram einführen wollt«, sagte Jochewed. Sie stand jetzt auch.
    »Und was wird mit der Institution der Betreuerinnen? Hast du darüber schon mal nachgedacht? Wofür brauchen wir dann Betreuerinnen?« fragte eine gepflegte junge Frau aus der Mitte des Speisesaals. Michael wußte nicht, wer sie war, und als er Awigail nach ihr fragte, zuckte sie nur mit den Schultern.
    Dworka bückte sich, holte unter ihrem Stuhl ein dunkel eingebundenes Buch hervor und sagte: »Chawerim, bitte, ich möchte etwas sagen.«
    Langsam wurde es ruhiger, die Leute setzten sich wieder auf ihre Plätze, außer Dworka, die stehen blieb, das aufgeschlagene Buch in der Hand. »In schwierigen Minuten wie diesen ist es gut, sich an das zu erinnern, was die Gründer unserer Gemeinschaft gesagt haben, die Pioniere, die ihre Gedanken niedergeschrieben haben, so daß wir uns in einem solchen Fall Trost holen können. Ich möchte euch etwas aus › Kehilatenu ‹ vorlesen. Dies sind die Worte von David Kahane, hier David K. genannt. Sie hatten, wie ihr seht, nicht das Bedürfnis, ihre Namen unsterblich zu machen, und sogar heute unterzeichnen die Chawerim, die für unser Bulletin schreiben, nicht mit ihrem vollen Namen, nur mit dem Vornamen und dem ersten Buchstaben des Nachnamens, weil nämlich nur wichtig ist, was gesagt wird, und nicht, wer es gesagt hat. Wir dienen dem höchsten Ideal, das man anstreben kann: dem Glück des Individuums in einer vollkommenen Gemeinschaft, wie David K. es formuliert hat.«
    Dworka zog ihre Lesebrille aus der Tasche ihrer schwarzen Hose, beugte den Kopf über das Buch und las vor: »Ich sage euch, Brüder, sogar wenn ich wüßte, daß wir am Ende im Schlamm des Lebens versinken, würde ich meinen Platz nicht verlassen. Vielleicht würde ich einen Moment innehalten und mir Genossen in Leid und Mut suchen, aber ich würde die Arbeit nicht aufgeben. Manchmal komme ich aus dem Steinbruch nach Hause, mit gesenktem Kopf, und es scheint mir, als habe sich alles um mich herum in einen schrecklichen Irrgarten verwandelt. Dann lasse ich unbewußt alle Tage meines Lebens an mir vorbeiziehen, vom Wiener Inferno über den ›Schmelztiegel‹ in Galiläa bis zum Aufbau dieses Kibbuz, und die Gedanken an Versagen, an ein Verlassen des Landes verbrennen mein Fleisch und verdunkeln meine Augen mit Gedanken an meine Bestimmung in diesem Land ... Aber kann ich aufgeben? Nein, Brüder, ich werde meinen Platz nicht verlassen, denn ich mache keinen Unterschied zwischen den Tagen des Kampfes und der Zwei fel und den Tagen der Realisation unserer Vision selbst. Ewige Suche und ewiger Kampf sind unser Los. Sie werden uns an allen Tagen unseres Lebens begleiten – von Erholung zu Erholung, von Aufgabe zu Aufgabe, von Opfer zu Opfer, und je größer das Unterfangen ist, um so härter wird der innere Kampf, um so schwerer drückt uns die Hand des Schicksals –, und die Zweifel werden uns nicht verlassen.«
    Dworka schlug das Buch zu, legte es auf den Stuhl und nahm mit einer langsamen Bewegung ihre Lesebrille ab.
    »Ich glaube es nicht«, sagte Michael. Er atmete schneller und fühlte, wie er anfing zu schwitzen. »Diese Frau...« Er stand auf und ging zum Spülbecken, bückte sich und trank Wasser aus dem Hahn.
    »Ist sie verrückt geworden oder was?« fragte Awigail. »Was soll das bedeuten?«
    Michael setzte sich wieder auf seinen Platz und starrte

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