Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
alles andere wird es geben, was Osnat gewollt hat. Auch eine Altensiedlung, wenn wir es so beschließen.«
»Nur über meine Leiche!« rief Guta mit lauter, klarer Stimme. Im Speisesaal brach ein Sturm los, und jemand schaltete die Videoübertragung aus.
Neunzehntes Kapitel
»Er ist einverstanden«, sagte Guta und schob Jankele ins Zimmer. »Aber vergessen Sie nicht, was wir ausgemacht haben.«
Michael nickte.
»Fanja lassen Sie in Ruhe«, sagte sie wütend, dann schaute sie ihn an, beruhigte sich und meinte: »Es ist nur wegen ihrer Gesundheit. Jankele ist sowieso schon aufgeregt.« Sie spricht in seiner Anwesenheit, als wäre er nicht da, dachte Michael. So wie Erwachsene über kleine Kinder sprechen. Er warf ihr einen auffordernden Blick zu. Guta erwiderte bockig seinen Blick.
»Ich möchte allein mit ihm sprechen«, sagte Michael.
»Haben Sie Geheimnisse?« fragte Guta und schob ihre zu Fäusten geballten Hände in die Tasche. »Ich lasse ihn nicht allein mit der Polizei«, sagte sie schließlich entschlossen.
»Guta«, sagte Michael, »ich bin nicht die Polizei, ich bin ich. Wir haben es doch schon besprochen. Wenn Sie wollen, daß die Wahrheit ans Licht kommt, müssen Sie mir helfen.«
»Ich gehe nicht weg«, sagte Guta ruhig. »Und Sie werden mich nicht dazu bringen. Sie können mich mit Ihren schönen Augen anschauen, solange Sie wollen. Ich bin verantwortlich für ihn, ich lasse ihn nicht allein.«
Michael seufzte. »Es ist mehr Ihretwegen als seinetwe gen, daß ich Sie bitte zu gehen«, sagte er schließlich.
Guta wandte den Kopf zur Seite. »Um mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, ich kann alles hören. Mir passiert schon nichts.«
Jankele saß auf dem Rand des zerschlissenen Bettes. Bisher hatte er noch kein Wort gesagt. Er starrte auf seine Sandalenspitze und fing plötzlich zu zittern an. »Ich habe ihr nichts getan«, sagte er auf einmal. »Nichts habe ich ihr getan.«
»Aber Sie waren nachts dort und haben gesehen, wie Aharon Meros gekommen und wieder weggefahren ist.«
»Ich habe auf sie aufgepaßt«, sagte Jankele. »Ich mußte auf sie aufpassen.« Er sprach schwerfällig, als hätte er Steine im Mund. Sein dünner Körper zitterte unaufhörlich. Guta war neben der geschlossenen Tür stehengeblieben und steckte sich nun eine Zigarette an. »Warum behandeln Sie die Leute mit Samthandschuhen?« hatte Nahari neulich geschimpft. »Wieso diese Schonung? Wir haben genug in der Hand, um sie alle drei vorläufig festzunehmen. Wozu diese Spielchen? Nehmen Sie sie fest, dann bekommen Sie alles, was Sie wollen. Nach einer Nacht im Gefängnis werden sie jede einzelne Frage beantworten.«
»Wenn sie sich nicht innerhalb der nächsten vierund zwanzig Stunden kooperativ zeigen, dann werde ich es tun«, hatte Michael gesagt. »Aber ich weiß, daß es besser ist, Leute, die nichts zu verlieren haben, auf meine Art zu behandeln.«
»Sie haben nichts zu verlieren«, fauchte Nahari. »Was reden Sie da! Woher wissen Sie denn, ob sie nichts zu verlieren haben?«
»Ich weiß es, ich kenne sie, die beiden Schwestern«, hatte Michael geantwortet. »Ich habe schon Leute dieser Art getroffen.«
Nahari hatte nicht nachgegeben. »Was heißt das, Leute dieser Art?«
»Eben solche wie sie.« Mit diesen Worten hatte Michael das Gespräch beendet.
Als er jetzt Jankele betrachtete, der verschreckt und verschlossen aussah, fragte er sich, wer wohl recht haben würde, er oder Nahari. Guta stand bewegungslos an der Tür. Nicht einmal ihr Atem war zu hören. Aus den Augenwinkeln sah Michael, daß ihr die Zigarette im Mundwinkel hing.
»Ich möchte mit Ihnen nicht über die Nächte sprechen«, sagte Michael, »nur über Ihren Dienst in der Küche. Darüber möchte ich mit Ihnen sprechen.«
Jankele schaute ihn überrascht an und hörte auf der Stelle auf zu zittern. Er hatte lange Wimpern über traurigen, verschreckten Augen. »Ich habe keinen Dienst mehr in der Küche, ich war nur an den Feiertagen dort.«
»Darüber möchte ich mit Ihnen sprechen. Dave hat mir gesagt, daß Sie sich während der Aufführung und dem Essen an der hinteren Tür aufgehalten haben.«
Ein Schauer überlief Jankele. »Dave hat das gesagt?« flüsterte er. »Er hat mir versprochen, nichts zu sagen, ohne mich vorher zu fragen.«
»Das ist alles, was er mir gesagt hat«, meinte Michael beruhigend. »Sonst kein Wort, nur das.«
Guta drückte ihre Zigarette in dem leeren Blumentopf aus, der in einer Zimmerecke stand, und
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