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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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es den anderen nicht aufgefallen, aber ich habe gemerkt, daß alles inszeniert war.«
    »Junger Mann«, sagte Dworka, »ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen über unsere Sicha haben, aber ich nehme an, Sie haben Ihre eigenen krummen Methoden ...« Ihr Gesicht zeigte Abscheu.
    »Das ist nicht die Frage«, sagte Michael. »Darum geht es nicht. Bitte wechseln Sie nicht das Thema.«
    »Sie sind unverschämt«, sagte Dworka zornig. »Ich hatte vor der Sicha zufällig das Buch in der Hand, wegen eines anderen Themas, ich lese meinen Schülern oft etwas daraus vor. Auf dem Weg zur Sicha war ich im Leseraum.« Sie blickte ihn forschend an. »Ich weiß nicht, warum ich Ihnen überhaupt antworte, vielleicht weil ich nicht daran ge wöhnt bin, grob mit Menschen umzugehen. Ihre Unverschämtheit kann man vielleicht mit der Anspannung der letzten Tage erklären. Nicht alle können ihre Selbstbeherrschung bewahren.« Ihre Stimme war ausdruckslos. »Vielleicht tun Sie mir sogar leid.«
    »Schade, daß Ihnen Osnat nicht leid getan hat.«
    Nun erschrak sie wirklich. »Sind Sie verrückt gewor den?« sagte Dworka. »Über was reden Sie da?«
    »Über die Vergiftung«, sagte Michael trocken. Er mußte sich daran erinnern, daß nur er wußte, wie sein Herz klopfte, daß nur er fühlte, wie es raste.
    »Sie verstehen offenbar gar nichts«, sagte Dworka, als wäre er ein widerspenstiger Schüler. »Sie verstehen offenbar nicht, daß ich Osnat aufgezogen habe. Daß ich ...« Dworka schwieg.
    »Doch, doch, ich verstehe genau, welche Position Sie im Kibbuz haben«, sagte Michael. »Sie glauben, daß Sie über allen Verdacht erhaben sind. Darauf haben Sie sich verlassen.«
    »Junger Mann«, sagte Dworka warnend. Ihre Augen traten hervor, doch sie erhob die Stimme nicht. »Ich denke, Sie wühlen da in etwas, was ich nicht verstehe, aber dieser Blödsinn hat eine Grenze, über die hinaus ich nicht bereit bin, ihn zu ertragen. Ich halte dieses Gespräch für überflüssig und sehr, sehr dumm. Sie benehmen sich erschreckend unverantwortlich. Ich möchte nicht auf andere Details eingehen, aber vergessen Sie nicht den Altersunterschied zwischen uns. Wie können Sie es wagen!« Zum ersten Mal hatte sie ihre Stimme erhoben. »Bitte verlassen Sie sofort mein Zimmer«, sagte sie, nachdem sie sich wieder unter Kontrolle hatte. »Auf der Stelle! Ich habe nicht das geringste Interesse, dieses Gespräch fortzuführen.« Sie deutete auf die Tür, ohne den Blick von ihm zu wenden.
    Michael fühlte, daß es sinnlos war, ihr zu drohen oder sie auf anderem Weg zu erreichen. Er meinte, das Echo von Simcha Maluls Stimme zu hören. »Ich habe niemanden gesehen«, hatte die arme Frau immer wieder gesagt. »Wenn es so wäre, würde ich es Ihnen sagen.« Sie hatte seinen Arm berührt und beim Leben ihrer Kinder geschworen, daß sie unterwegs niemanden gesehen hatte, weder auf dem Hinweg noch auf dem Rückweg. »Ich werde anfangen zu weinen«, hatte Simcha Malul gesagt, als er sie gebeten hatte, so zu tun als ob. »Ich weine immer, wenn ich lüge, oder ich fange an zu lachen. Ich kann so etwas nicht. Sie wollen also, daß ich sage, ich hätte sie aus der Krankenstation herauskommen sehen, wo ich doch nichts gesehen habe?«
    Simcha Malul hatte in der Küche der Krankenstation gestanden, am Spülbecken, die Haare mit einem weißen Kopftuch zurückgebunden, immer wieder eine ohnehin saubere Schüssel schrubbend, und hatte abgehackt geredet. »Sie sind doch einer von uns, wie können Sie mich auffordern, eine Lüge über so eine Frau zu sagen?« Michael hatte sie eindringlich angeschaut. Erst da hatte sie die grüne Plastikschüssel abgestellt und sich an den Küchentisch gesetzt. »Hören Sie«, hatte sie auf marokkanisch-arabisch gesagt. »Ich würde Ihnen ja gerne helfen, wenn ich könnte, aber soll ich lügen?« Dann wieder auf hebräisch: »Sie ist eine Dame. Ich kann so etwas nicht über sie sagen. Sie ist hier sehr geachtet. Sie hat mir nie etwas Böses getan, und ich kann niemanden belügen, noch nicht einmal meinen Mann.«
    Michael schaute auf Dworkas ausgestreckten Arm. Es war vollkommen still. Michael stand auf und verließ das Zimmer.

Zwanzigstes Kapitel
     
    »Bist du denn noch da?« fragte die Telefonistin, als er zu seinem Büro ging. »Jemand hat dich gesucht, aber ich habe gedacht, du wärst schon weg.«
    »Und?«
    »Sie hat keine Nachricht hinterlassen«, sagte die Telefonistin. »Bleibst du noch hier? Nur damit ich weiß, was ich sagen soll,

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