Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
beide dort für die Bricha gearbeitet – du weißt schon, die Untergrundorganisation für illegale Einwanderung, aber egal, das ist jetzt nicht wichtig. Und es ist eine lange Geschichte. Sie haben schrecklich ausgesehen. Nun, wir haben Zertifikate besorgt und sie hergebracht – Schmuel und Rochele waren auch dabei, außerdem noch ein paar andere, die wir an verschiedene Orte im Land gebracht haben.«
»Wie alt sind sie gewesen?«
»Vielleicht achtzehn, zwanzig, zweiundzwanzig. Ich weiß es nicht mehr genau, aber sie waren jung, sehr jung. Und Fanja war krank, sie hatte Tuberkulose. Und Guta war die ganze Zeit hungrig, sie hatte solche Angst, es könnte kein Essen mehr geben, daß sie alles, was wir ihr gaben, unter ihrer Decke versteckt und dort gehortet hat. Es war schrecklich. Wenn du sie heute siehst, kannst du kaum glauben, was sie alles durchgemacht haben.«
»Nein. Aber was hat sie gemeint, als sie von einem Alters heim sprach?«
»Blödsinn«, sagte Schmiel wütend, »alles nur Blödsinn. Dumme Ideen, aus denen nie etwas werden wird. Da gibt es ein paar Leute, die lieber reden, statt zu arbeiten.« Er warf Osnat einen verstohlenen Blick zu.
»Erstens geht es nicht um ein Altersheim, und zweitens ist es überhaupt kein Blödsinn«, sagte Osnat ruhig und entschieden.
»Was soll es denn sonst sein, wenn nicht ein Altersheim?« sagte Bezalel zornig. »Aber egal – so weit wird es nicht kommen. Was ist denn schlecht an der Art, wie wir leben? Warum muß man dauernd irgend etwas ändern? Was wollt ihr erreichen? Ich verstehe es einfach nicht.«
»Es ist Teil eines ganzen Konzepts«, sagte Osnat im gleichen ruhigen Ton wie vorher. »Und es geht dabei um die Bewahrung eines würdevollen Lebens. Schau dir doch die Nachbarkibbuzim an. Kann man etwa in Ma'ajanot auf angenehme Art alt werden? Wir wollen nur das Beste für alle, und am Ende werdet ihr uns zustimmen.«
»Das werden wir noch sehen«, sagte Schmiel drohend. »Wir werden sehen, wie die Abstimmung ausfällt. Zum Glück denken nicht alle wie du.«
Osnat gab keine Antwort, und schließlich meinte Se'ew Hacohen beruhigend: »Wer weiß, vielleicht ist das gar nicht so verkehrt. Ab und zu muß man sich von überkommenen Vorstellungen befreien.«
»Und ihr habt dann eine neue Siedlung«, mischte sich Chawale plötzlich ein. »Dann ist endlich Schluß mit dem Gerede, wir hätten für unsere Generation Villen gebaut und für euch nur die alten Wohnungen renoviert.«
»Was soll das für eine Siedlung sein? Und warum nennt ihr sie Altersheim?« fragte Aharon noch einmal.
Osnat hustete, dann richtete sie sich in ihrem Sessel auf und sagte: »Von einem Altersheim kann keine Rede sein, sondern es geht um eine regionale Einrichtung nach dem Prinzip der regionalen Kibbuzoberschulen, die für mehrere Kibbuzim als gemeinsames Zentrum für alte Leute dienen soll, mit einem eigenen Betrieb und allem, was dazuge hört. Der Vorschlag ist noch nicht genau ausgearbeitet, zur Abstimmung steht vorläufig nur die Frage, ob man ein Planungskomitee gründen soll, erst danach wird dann endgültig abgestimmt. Bisher ist nichts beschlossen.« Sie warf Schmiel einen Blick zu, tröstend und zugleich warnend. »Aber grundsätzlich geht es um das Konzept des gemeinsamen Wohnens und Arbeitens, um eine Art Kibbuz für das Goldene Lebensalter.« Sie legte die Hände zusammen und blickte sich mit ernstem Gesicht um.
»Aber warum denn?« fragte Aharon erstaunt. »Das ist doch gerade so beeindruckend hier, das gemeinsame Leben, alt und jung zusammen, warum muß man das jetzt än dern?«
»Das ist sehr kompliziert und schwer zu erklären«, sagte Osnat. »Aber glaub mir, im Kibbuz Arzi finden sie die Idee gar nicht so schlecht. Die Idee ist aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Kibbuzim entstanden und aus der Einsicht, daß grundsätzliche Umstrukturierungen nötig sind. Ich kann jetzt nicht näher darauf eingehen, ich möchte dir nur sagen, daß es bereits einige Kibbuzim gibt, in denen die Mitglieder nicht in Würde alt werden können, es gibt hier in der Region Kibbuzim, die pleite sind. Deshalb hat die vereinigte Kibbuzbewegung sogar schon erwogen, einige Zimmer in solchen Zentren an Leute aus der Stadt zu verkaufen. Hast du noch nichts davon gehört?«
Aharon schüttelte den Kopf.
»Dann werden wir also nur noch gnädig geduldet«, sagte Bezalel mit einem bitteren Lächeln.
»Das ist Unsinn. Wir sind nicht an Gewinnen interessiert«, sagte Osnat, »und wir verkaufen
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