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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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keine Zimmer an Senioren von außerhalb.« Sie wandte sich an Aharon. »Aber es gab diese Überlegung, und wenn du dich dafür interessierst, kann ich dir entsprechendes Material geben.«
    »Ich interessiere mich dafür«, antwortete Aharon, ohne zu wissen, warum er das sagte. Seine Mutter lebte in einem Seniorenheim in Ramat Aviv und wirkte sehr zufrieden, trotzdem war er geschockt. Er dachte an Srulke und fragte leise: »Wie hat Srulke darauf reagiert?«
    »Er hat nichts gesagt, du hast ihn ja gekannt«, antwortete Osnat.
    »Srulke war ein Engel«, sagte Schmiel laut. »Einer der sechsunddreißig Gerechten*. Ihr könnt gar nicht wissen, was in seinem Herzen vor sich ging. Niemand auf der ganzen Welt wußte, was er dachte. Vor allem nicht, seit Mirjam nicht mehr da ist.«
    Chawale verzog ungeduldig das Gesicht. »Ich koche Kaffee. Wer will eine Tasse?« Niemand antwortete ihr.
    »Wir stören sie in ihren Plänen, das ist es«, brach es aus Schmiel heraus.
    Osnat wandte sich an Aharon und sagte ruhig: »Ich schicke dir also Material, in Ordnung?«
    »Oder du gibst es mir gleich«, schlug er zögernd vor und dachte an die Möglichkeit, mit ihr allein zu sein.
    »Nein, ich muß es noch zusammenstellen«, entschied Osnat mit dem ernsten Gesichtsausdruck, an den er sich noch so gut erinnerte.
    Als er aufstand und etwas über Verpflichtungen mur melte und daß er unbedingt nach Hause fahren müsse, hoffte er, daß Osnat ihn hinausbegleiten würde. Es war jedoch Mojsch, der sich erhob und mit ihm hinausging. Am Auto angekommen, sagte Mojsch: »Ich möchte mich bei dir bedanken. Du hast mir sehr geholfen.« Aharon betrachtete Mojschs graue Haare, sein bekümmertes Gesicht, den untypischen weichen Ausdruck in den grauen Augen, die großen, braungebrannten Füße in den Sandalen, sah die ganze, Gesundheit ausstrahlende Gestalt. Er dachte an die Packung Alumag, die er im Badezimmer entdeckt hatte, und an die Tagamet-Tabletten. Er wollte etwas darüber sagen, doch dann hätte er zugeben müssen, in das Schränkchen geschaut zu haben. Deshalb schwieg er und spürte wieder den scharfen Schmerz in seinem linken Arm, als er eine abwinkende Bewegung machte. Er sagte nur: »Blödsinn, das ist doch selbstverständlich. Ich bin froh, daß ich hier war und dir helfen konnte. Ich bin Srulke etwas schuldig, oder nicht?« Er spürte sofort, daß an seinen Worten etwas Unpassendes war, wußte aber nicht, worin der Fehler lag. Er konnte an Mojsch nicht als Bruder oder Freund denken, noch weniger an Srulke als Vater. Warmherzigere Worte konnte er nicht sagen, sie hätten ihm erst recht falsch in den Ohren geklungen.
    Als er zu Hause ankam, war es schon halb sieben Uhr abends, und der Schmerz im Arm hatte nicht nachgelassen. Die Wohnung war leer, und er hörte nicht auf, an Osnat zu denken und daran, daß er kein einziges persönliches Wort mit ihr gewechselt hatte. Aus einem plötzlichen, unkontrollierbaren Impuls heraus wählte er die Nummer ihres Zimmers, die er sich aus der internen Telefonliste herausgeschrie ben hatte. Er hörte ihre Stimme, wie sie »Guten Abend« sagte, und legte wortlos den Hörer auf.
     

Drittes Kapitel
     
    In den Wochen nach Srulkes Tod fuhr Aharon häufig zum Kibbuz. Er parkte das Auto immer zwischen dem hinteren Tor und der Lagerhalle für Baumwolle, in der Hoffnung, daß es so von keinem gesehen würde. Ohne es ausdrücklich zu formulieren, hatte ihm Osnat die Notwendigkeit der Geheimhaltung klargemacht. Normalerweise kam er donnerstags abends an, bei Beginn der Dunkelheit, da fanden keine Sitzungen der Ausschüsse für Erziehung und für Bildung statt, auch nicht des Entwicklungsausschusses, wie man das Gremium nannte, das die Übernachtung der Kinder bei ihren Familien vorbereiten sollte. Zweimal geschah es, daß Osnat nicht in ihrem Zimmer war und er auf sie warten mußte. Er kannte den Geheimplatz für den Schlüssel. Sie aßen gemeinsam in ihrem Zimmer, und er blieb über Nacht bei ihr.
    Beide versuchten sie, ein Gefühl wiederzubeleben, das nichts mit pubertärer Erregung zu tun hatte, eher mit der Intimität und Nähe, die sie empfunden hatten, wenn sie schweigend von Srulkes und Mirjams Zimmer zurück zum Kinderhaus gegangen waren.
    Wenn sie sich verabschiedeten, geschah das immer mit einer gewissen Beiläufigkeit. Aharon achtete auch darauf, das nächste Treffen mit keinem Wort zu erwähnen, aus dem Gefühl heraus, sie wolle sich nicht verpflichten und würde jedes Gespräch darüber als Bedrohung

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