Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
Vom Netzwerk:
vom Liegen, das Waschen ist wichtig, wegen der Hygiene«, sagte Simcha zu dem Alten, der zusammengekrümmt dalag wie ein Säugling und sich nicht umdrehen wollte. »Du wirst dich besser fühlen, wirklich, du wirst sehen, wie angenehm du dich hinterher fühlst«, sagte sie und zog ihm das Tuch von der Schulter. »Und dann bringt Sohara bald die Zeitung, und die Kinder kommen auch. Mußt du dich da nicht schämen, wenn du so daliegst?« Sie drückte den Waschlappen aus. Das Wort »schämen« ging ihr weiterhin im Kopf herum. Sie dachte an die Schmach, alt und hilflos zu sein. Manchmal, wenn sie den verzweifelten Blick des alten Man nes sah, empfand sie tiefes Mitleid und den Wunsch, ihn nicht so, in seiner Armseligkeit, sehen zu müssen.
    Nach Felix kam Bracha an die Reihe, die leichter zu versorgen war, obwohl auch sie nichts sagte. Sie lagen in den beiden durch eine große Holztür verbundenen Zim mern der Krankenstation. Die Flügel dieser Tür wurden nur dann zugezogen, wenn der Zustand eines Patienten besonders ernst war, sonst war sie offen. Manchmal, wenn mehrere alte Patienten da waren, lagen auch zwei in einem Zimmer, doch von Anfang an hatte die Absicht bestanden, jedem eine gewisse Privatsphäre zu lassen. Simcha wunderte sich, wozu sie diese Privatsphäre brauchten, wenn sie ihre Umgebung ohnehin kaum wahrnahmen und in ihr Inneres versunken waren, den privatesten Ort der Welt.
    Das dritte, etwas kleinere Zimmer war für Kranke reserviert, die isoliert werden mußten. Es war jetzt leer, nachdem der Soldat, der an ansteckender Gelbsucht erkrankt war, gesund geworden und zur Armee zurückgekehrt war. Was für eine Unruhe hat es während der Woche gegeben, die er in der Krankenstation gelegen hat, dachte Simcha. Ununterbrochen sind junge Leute gekommen und gegangen, die ganze Zeit war Musik zu hören gewesen. Trotzdem hatte ihr das auch Spaß gemacht. Nun war es hier wieder still geworden, und so würde es auch bleiben, bis wieder ein junger Mensch eingeliefert werden würde.
    Simcha machte sich daran, Bracha zu füttern. Sie wärmte den Brei auf, der morgens gebracht worden war, und prüfte mit einem Finger die Temperatur. Dann richtete sie die alte Frau auf, schob ihr ein Kissen unter den Rücken, breitete ein sauberes Handtuch über die Decke und fütterte sie. Vor sichtig wischte sie ihr mit dem Löffel die Reste des Breis von den Lippen, und während der ganzen Zeit sprach sie mit ihr. Im Pflegerinnenkurs hatte man ihr beigebracht, mit den Kranken zu sprechen. Auch wenn sie nicht reagierten, sei der menschliche Kontakt wichtig. Simcha befolgte die Anweisungen gehorsam und sprach mit Bracha. Das fiel ihr nicht schwer, denn sie mochte sie gern. Anschließend putzte sie die Fußböden und wischte den Küchenschrank sauber. Als sie einen Blick auf die große Uhr warf, die an der Wand hing, war es schon zwölf, gleich würde das Mittagessen gebracht werden. Danach wollte sie zum Sekretariat gehen. Plötzlich waren Geräusche zu hören, nicht das bekannte Rattern des Essenswagens, sondern Stimmen von Menschen. Herein kamen Dr. Reimer und Riki, die Krankenschwester, und brachten eine neue Kranke, eine junge Frau. Simcha betrachtete sie und erkannte in ihr die schöne, blonde Frau, die damals, als sie eingestellt wurde, im Sekretariat telefoniert hatte. Ihre Schönheit war auch jetzt noch zu sehen, obwohl sie sehr blaß war, mit geschlossenen Augen. Dr. Reimer und Riki brachten sie halb tragend zum Isolierzimmer. Simcha stand daneben, bereit zu helfen, und fragte sich, ob es sich wieder um einen Fall von Hepatitis handelte. Doch sie sagte nichts, sondern wartete geduldig auf den Wagen mit dem Mittagessen.
    Als dieser ankam, waren Dr. Reimer und Riki noch im mer im Isolierzimmer. Simcha kümmerte sich um das Essen, sie verteilte es auf die Teller und achtete darauf, was für Felix' Sonde bestimmt war und was für Bracha. Sie bekam kaum mit, was im dritten Zimmer geschah. Schließlich kam der Arzt heraus und sagte: »Simcha, wir haben Osnat hergebracht, sie wird ein paar Tage hierbleiben. Sie hat eine schwere Lungenentzündung, und ich möchte, daß sie auf der Krankenstation liegt. Du mußt dich darum kümmern, daß sie viel trinkt, regelmäßig ihre Temperatur messen und ihr beim Waschen helfen, wenn sie das will. Sie ist jetzt sehr schwach, aber in ein, zwei Tagen wird es ihr besser gehen, dann kann sie aufstehen. Riki wird ihr gleich noch eine Spritze geben.«
    Simcha nickte und erkundigte sich nach dem Mittag

Weitere Kostenlose Bücher