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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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essen. Der Arzt meinte, die Kranke würde sicher nichts wollen, aber man müsse darauf achten, daß sie viel trinke. »Vielleicht gebe ich ihr den Saft vom Pflaumenkompott?« schlug Simcha zögernd vor. Der Arzt nickte und sagte: »Alles, was sie will, Hauptsache, sie trinkt. Sie ist bei Bewußtsein, du kannst sie also fragen.«
    Dann gingen sie, und es wurde wieder ruhig. Simcha betrat leise das Zimmer, in dem die Frau lag. Sie war nicht so jung, wie sie zuerst gedacht hatte, aber auch nicht alt. Und wirklich sehr schön. Sie sah benommen aus. Der Arzt hatte gesagt, Riki würde bald mit einer Spritze zurückkommen. Simcha wollte sie fragen, ob sie schnell zum Sekretariat gehen dürfe, vielleicht wäre Riki einverstanden, kurze Zeit hierzubleiben. Als Riki schließlich kam, spülte Simcha gerade das Geschirr vom Mittagessen. Sofort schaute sie auf die Uhr. Riki betrat das Isolierzimmer, Gemurmel war zu hören, abgerissene Sätze, die Simcha gar nicht zu verstehen versuchte. Sie konnte nicht aufhören, an Motti und die Sozialarbeiterin zu denken, und an die Frage, die Limor an diesem Morgen gestellt hatte: »Woher wirst du das Geld bekommen, um Viktor vom Lebensmittelgeschäft zu bezahlen? Er hat gesagt, er gibt uns nichts mehr, bis wir die Rechnung bezahlt haben.«
    Nun trat Riki aus dem Zimmer und sagte: »So, ich habe ihr eine Penicillinspritze gegeben. Ich komme heute nachmittag noch einmal vorbei. Und sag Jaffa, wenn sie dich ablöst, daß sie Osnat viel zu trinken geben muß.«
    Simcha nickte. »Ja, natürlich.« Mehr zu sagen wagte sie nicht, und Riki verließ die Station. Die beiden Alten dösten, und Simcha warf einen Blick in das Seitenzimmer, wo Osnat mit geschlossenen Augen im Bett lag. Simcha kämpfte mit sich, blickte von der großen Uhr zu der schlafenden Frau, trat schließlich ans Bett und legte ihr die Hand auf die Stirn. Osnat machte die Augen auf und lächelte. Simcha lächelte zurück und fragte, ob sie ihr etwas zu trinken bringen könne. Erst nachdem sie ihr einige Löffel Saft vom Pflau menkompott, das für Bracha bestimmt war, eingeflößt hatte und Osnat die Augen schloß und sagte, sie wolle jetzt schlafen, stellte Simcha das Schüsselchen mit der Nachspeise auf dem weißen Abstelltisch ab, zog den Kittel aus und verließ das kleine Gebäude. Sie rannte fast den ganzen Weg – das Sekretariat befand sich auf der anderen Seite des Kibbuz –, und als sie dort ankam, war die Tür verschlossen. Auf dem Zettel stand etwas von einer Sitzung im Clubraum.
    Simcha seufzte und lief zurück. Seit sie hier arbeitete, hatte sie sich noch nie genauer umgesehen, noch nicht mal auf dem Weg von und zum Bus, doch jetzt, obwohl sie es so eilig hatte, bemerkte sie plötzlich die Gebäude und die Blumen und die Stille, sie hörte die Vögel singen und dachte an das friedliche Leben hier und wie gut es Motti tun würde, hier aufzuwachsen. Nicht nur Motti, sondern jedem Kind.
    So schnell sie konnte, lief sie zur Krankenstation, aber sie konnte nicht sehr schnell rennen, und als sie das kleine, weiße Gebäude betrat und auf die Uhr schaute, sah sie, daß es bereits zwei war und sie ungefähr eine halbe Stunde weggewesen war. Doch als sie den Blick von der Uhr löste, wieder Luft bekam und sich von ihrer Panik erholte, sah sie sofort, daß die Tür zu den Zimmern der alten Leute geschlossen war. Sie öffnete sie, und ihr Herz klopfte bei dem Gedanken, daß während ihrer Abwesenheit etwas passiert sein könnte. Doch dann sah sie, daß die beiden Alten wie gewöhnlich dalagen und dösten und ansonsten niemand da war. Auch die Tür zum Isolierzimmer war geschlossen, und Simcha überlegte erschrocken, ob sie selbst es gewesen war, die die Tür zugemacht hatte, bevor sie weggegangen war. Während sie noch nachdenklich vor der verschlossenen Tür stand, seltsam hellhörig für den Gesang der Vögel, der von draußen hereindrang, hörte sie ein Stöhnen und trat schnell ein.
    Der Kopf der Kranken hing aus dem Bett, und ihr Atem ging schnell und pfeifend. Noch während Simcha wie gelähmt in der Tür stand und überlegte, ob sie in der Ambulanz anrufen sollte, merkte sie, daß die Kranke aus dem Bett zu fallen drohte. Sie rannte hin und hob Osnat ins Bett zurück, und mit größter Anstrengung fand sie auch die Worte: »Komm, Schatz, langsam, langsam.« Dann begann Osnat zu erbrechen, und Simcha hielt ihr den Kopf. Die Augen der Kranken waren geschlossen, und man konnte ihr nicht anmerken, ob sie bei Bewußtsein war.

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