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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Kulturpalast, verläßt plötzlich der Mann seine Freundin und tanzt mit der Frau und flüstert ihr leise ins Ohr: › Willst du mich heira ten? Ich muß in einer Woche die andere heiraten, und ich will nicht. Ich will dich. ‹ Sie ist einverstanden. Am selben Tag, wo er eigentlich die andere heiraten soll, heiratet er sie. Die andere Frau schämt sich. Sie verläßt das Dorf und zieht in ein anderes, weit weg. Der Junge war die Frucht dieser Ehe.«
    Dr. Kestenbaum lehnte sich tief atmend zurück. Dann beugte er sich vor und erzählte weiter. Michael lauschte hingerissen, fast wie hypnotisiert. Er war in die Geschichte eingetaucht wie ein Kind, wie Juwal, wenn er ihm manchmal, ausnahmsweise, eine besonders aufregende Schauergeschichte erzählt hatte und der Junge nicht nur aus Angst die Luft anhielt – das Kinderzimmer war dunkel, aber Michael hielt ihn im Arm –, sondern auch vor Spannung.
    »Seit der Hochzeit hat es keinen Kontakt gegeben mit der ersten Freundin. Ein Jahr vor dem Tod von dem Kind hat der Ehemann auch die zweite Frau verlassen. Er ist in die Stadt gegangen und lebt mit einer Frau, zehn Jahre älter als er. Er arbeitet als Busfahrer. Die ältere Frau, die dritte, ist sehr wohlhabend. Als Überraschung bekommt der Sohn nun ein Päckchen von der ersten Frau. Die Mut ter denkt, erste Frau ist noch immer verliebt in Ehemann und schickt deshalb Päckchen an den Sohn vom Ehemann. Ich als Arzt und Detektiv bitte sofort um alle Reste von dem Päckchen. Sie gibt mir kleine Pappschachtel mit zwei dreieckigen Waffeln, drei kleine Stück Schokolade mit Rom.«
    »Rum?« fragte Michael.
    »Ja, ja, Rom«, wiederholte Kestenbaum. »Und sechs Bonbons in Zellophan, die man an Kiefern hängt.«
    »Sie meinen einen Tannenbaum?«
    »Ja, der Baum für Weihnachten«, erklärte Kestenbaum, und dann begann er wieder mit seiner Musik, leise am Anfang und sich dann zum Crescendo steigernd. »Die Pappschachtel ist in Papier gewickelt, sehr dünn und gelb. Zu der Zeit haben sie schon weißes Papier gemacht, das gelbe ist vielleicht zehn Jahre her. Auf dem Papier steht Name von Expediteur, wie sagt man das, Absender?« Michael nickte. »Ja, also da steht der Name. Am selben Abend bin ich schon bei Absender. Aber ich bin erstaunt über das, was sie erzählt. Sie sagt, sie hat kein Päckchen geschickt, sie hat auch drei Jahre lang keinen Kontakt mit jemand vom selben Dorf. Bestimmt nicht mit dieser Familie, die sie auf den Tod haßt.« Die letzten Worte sagte er so giftig, wie er sie vermutlich ursprünglich gehört hatte.
    »Ich mache Verhör, über drei Stunden lang, dann bin ich überzeugt, daß sie kein Päckchen geschickt hat. In derselben Nacht bin ich zurückgefahren ...« Er verzog die Lippen und entblößte die Zähne zu einer Art Lächeln. »Ich bin zurückgefahren zur Mutter und habe um Adresse von Ex-Mann gefragt. Ex-Mann ist Busfahrer in der Stadt, wo ich wohne. Am selben Tag besuche ich den Mann zu Hause. Er weiß, daß sein Sohn tot ist, und er selbst ist so kaputt, daß er Fragen nicht aushält. Sagt, ich soll – oder wir sollen – erst nach Beerdigung kommen. Ein paar Tage später bekomme ich Haussuchungsbefehl für ihn. Wir fahren zum Ehemann. Er und seine Geliebte haben Päckchen nicht geschickt, er weiß nichts, er bezahlt nur Unterhalt für Kind und Frau schon über ein Jahr lang, und außer Unterhalt schickt er nichts. Bei meinen Untersuchungen finde ich dasselbe dünne gelbe Papier, was man schon viele Jahre nicht mehr macht. Ich habe das Papier gefunden, und in einem kleinen Zimmer ...« Hier atmete Kestenbaum tief ein, drückte seine Kippe aus und steckte sich eine neue Zigarette an. Plötzlich warf er Michael einen scharfen Blick zu und fragte: »Sind Sie hier geboren oder im Ausland?«
    »Im Ausland«, antwortete Michael, erstaunt, wohin diese Frage führen sollte.
    »Aber nicht in Osteuropa«, stellte Kestenbaum fest.
    »Nein«, antwortete Michael. »In Marokko.«
    »So, so, dann wissen Sie nicht, dann muß ich es erklären. Dort in Ungarn oder Rumänien oder Polen gibt es keinen Kühlschrank, nur ein kleines Zimmer.«
    »Eine Speisekammer?« schlug Michael vor.
    »Wie?« fragte Kestenbaum. »Wie sagt man?« Er sprach das Wort mit sichtlicher Anstrengung nach, dann fuhr er mit seiner Geschichte fort, wie jemand, der eine unwichtige Information ausklammert. »Und zusammen mit Bleistiften, Tinte, Füller, nehme ich auch das Papier und untersuche alles. Im Polizeilabor vergleichen wir Tinte mit Tinte

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