Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
Thiophosphorsäureester, ein Cholingift, welches weltweit für Schädlingsbekämpfung und für chemische Waffen benutzt wird. Acetylcholin inaktiviert Muskel inklusive Atmung und Herzmuskel und lähmt das zentrale Nervensystem. Die Folge – Tod. Kommen Sie, ich zeige Ihnen was.«
Er stand auf. Michael folgte ihm durch den breiten Korridor zu einem Nebenraum, wo Kestenbaum einen kleinen Schlüssel von einem Holzbrett nahm und in ein angrenzendes Zimmer trat.
Dort, im zweiten Raum, blieb der Pathologe vor einem grauen Metallschrank mit einem großen Schloß an der Tür stehen. Er öffnete das Schloß mit dem kleinen Schlüssel, deutete auf die Schrankbretter und sagte: »Hier haben Sie alles.« Im Schrank, auf den Regalbrettern, standen Töpfe und Flaschen, und im ganzen Raum roch es unangenehm nach Mäusen und Chemikalien. Kestenbaum lehnte sich an die Wand. »Bitte«, sagte er, »bitte, Sie können alles sehen, alles steht auf den Flaschen.« Aus dem anderen Zimmer rief jemand laut: »Wer hat den Schlüssel genommen?«
»Ich, mach dir keine Sorgen, ich bin hier«, sagte Kestenbaum und flüsterte Michael zu: »Dr. Cassuto, unser Toxikologe.«
Ein paar Sekunden später erschien ein Mann in einem weißen Kittel, nicht jung, aber jünger als Kestenbaum. Cassuto erinnerte sich offenbar an Michaels Rang und den Zweck seines Besuchs, nicht aber an seinen Namen. Deshalb stellte sich Michael vor und sagte: »Zeigen Sie mir doch mal, was unter all diesen Schätzen, die Sie hier aufbewahren, das Parathion ist.«
Dr. Cassuto antwortete mit dem Akzent eines im Land Geborenen: »Da ist das Zeug.« Er nahm eine silbrige Metallflasche heraus und hielt sie hoch. »Sogar es so zu halten, ohne Handschuhe, ist schon gefährlich«, warnte er.
Kestenbaum, der daneben stand, nickte und sagte: »Und wie!«
Michael nahm die Flasche und las interessiert, was auf dem Etikett stand: »FOLIDOL E 605. 45.7%.« Er spürte, wie Dr. Kestenbaum sich zusammenzog. Er stand wartend in der Ecke wie ein ängstliches Kind, das versucht, so wenig Platz wie möglich einzunehmen.
»Wird es in solchen Flaschen verkauft?« fragte Michael.
»Diese Flasche stammt aus Deutschland«, sagte Dr. Cassuto mit gleichgültiger Stimme. »Das ist die unverdünnte Substanz. Für den Gebrauch in der Landwirtschaft wird das Zeug mit einer speziellen Substanz verdünnt, es ist nämlich nicht wasserlöslich. Hier in Israel darf man es ohne eine spezielle Lizenz weder kaufen noch verkaufen.«
»Blödsinn«, rief Kestenbaum aus der Ecke. »In den besetzten Gebieten findet man es an jeder Ecke.«
»Ja«, bestätigte Cassuto, »in den besetzten Gebieten schon, dort gibt es ja auch den Mißbrauch von Parathion. Sie benutzen es für alle Morde, die mit Familienehre oder anderen internen Fehden zu tun haben. Aber ich habe da von geredet, daß der Handel und die Anwendung gesetzlich verboten sind.«
»Das ist auch nicht korrekt«, protestierte Kestenbaum. »Überhaupt nicht korrekt. Erinnerst du dich nicht an den Fall mit dem Mädchen und dem Petroleum?« Er schaute Cassuto vorwurfsvoll an.
Cassuto sagte verteidigend: »Ja, das war eine schreckli che Sache. Ein junges Mädchen hat die Haare mit Petroleum gewaschen, weil sie Läuse hatte. Nun, das Petroleum war mit Parathion versetzt; und sie kam nicht einmal mehr aus dem Badezimmer. Sie starb auf der Stelle.«
»Und die Großmutter? Was ist mit der Großmutter?« beharrte Kestenbaum.
»Ja, es gab auch einen Fall mit einer Großmutter und ihrem Enkel. Ein kleiner Junge, eine Behandlung gegen Läuse, die gleiche Geschichte. Ebenfalls mit Parathion versetztes Petroleum und sofortiger Eintritt des Todes.«
»Na ja, Geschichten gibt es viele«, sagte Kestenbaum fast wütend. »Geschichten, soviel man will. Gestern hat ein Kollege angerufen und gesagt, er will etwas sprühen gegen – egal, gegen irgend etwas, und seine Frau bringt ihm Spray aus der Apotheke. Er schaut auf die Rückseite, wo steht, was drin ist, und was sieht er? Was sieht er da?« Er blickte Cassuto sichtlich triumphierend an. »Er sieht, daß Para thion draufsteht! Was heißt das also, gesetzlich verboten?«
»Ich habe nicht gesagt, daß es in Israel kein Parathion gibt. Ich habe nur gesagt, daß das Landwirtschaftsministerium die Verwendung nicht mehr zuläßt«, antwortete Cassuto gleichgültig.
»Nicht die Flasche so halten!« rief Kestenbaum plötzlich und nahm Michael vorsichtig die Metallflasche ab, die er in den Händen herumgedreht hatte.
»Wie
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