Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
entschuldigte sie sich.
»Inwiefern wird Gabis Tod Ihr Leben verändern?« fragte er direkt.
Sie nickte. »Sie geben nicht auf ... « , seufzte sie. »Aus wirt schaftlicher Sicht wird es keine Veränderungen geben«, sagte sie laut. »Aus gefühlsmäßiger Sicht wird es jetzt schwerer für mich werden. Denn Isi wird anhänglicher sein als gewöhnlich, vielleicht sogar ... vielleicht wird er sogar zurückkehren wollen. Und ich ...« Ihre Augen wanderten verloren im Zimmer umher, zum erstenmal schien sie ihre Sicherheit und Souveränität einzubüßen. Der Anblick ihrer Augen, die von ihm zur Tür hin und her liefen, hatte etwas menschlich Ermutigendes. Sie zeigte plötzlich Schwäche. »Würde es Ihnen gefallen, wenn er zurückkäme«, riet er.
»Nicht wirklich«, sagte sie nach langem Schweigen. »Ich habe mich an die Freiheit des Alleinlebens gewöhnt. Ich habe auch Beziehungen zu anderen Männern ... Nichts Ernstes«, gab sie zu. »Aber zumindest haben sie etwas Normales, wenn Sie verstehen, was ich meine. Vielleicht glauben manche, daß man etwas wieder kitten kann, daß man eine Sache, die zerbrochen wurde, wieder zusammenfügen kann. Aber nein, nicht wirklich«, sagte sie entschlossen. »Wenn ich ernsthaft darüber nachdenke, ist Gabis Tod für mich und auch für Irit eine ziemliche Katastrophe.«
Er sah sie schweigend an.
»Ich bin mir erst jetzt darüber klargeworden. Ich habe es vorher nicht gewußt, ich mußte darüber nachdenken«, erklärte sie staunend. »Aber ich habe ihn nicht umgebracht«, sagte sie plötzlich. »Ich weiß nicht, wie sehr Sie mir glauben, im Moment, aber ich habe das Bedürfnis, es Ihnen zu sagen. Ich habe ihn nicht umgebracht, und ich habe auch keine Ahnung, wer es getan haben könnte und warum«, bestimmte sie. Ihr Mund zog sich zusammen, ihr Finger preßte gegen die Stirnmitte. »Auch Isi nicht«, faßte sie zusammen.
Dann erklärte sie sich einverstanden, an den Lügendetektor angeschlossen zu werden, ohne zu zögern, und auch mit einem Verzicht auf datenrechtliche Bestimmungen war sie einverstanden. Sie ermöglichte ihm Zugang zu ihren Konten, unterschrieb Dokumente, verzichtete auf einen Anwalt, war bereit, jedes Protokoll zu unterschreiben, das er formulieren würde. »Alles, was zur Klärung beitragen kann«, sagte sie, als sie aufstand, »was diese Sache mit Gabi anbelangt«, fügte sie rasch hinzu. Und als sie vor der Tür stand, hielt sie inne und drehte sich um: »Aber wenn Sie jetzt Unterstützung mit Nita brauchen, wegen ihrer seelischen Verfassung«, sagte sie und kam näher heran, »werde ich gern alles tun, was in meiner Macht steht. Wie geht es ihr eigentlich?« fragte sie besorgt. Dann schaltete er den Rekorder aus, und aus einem verzweifelten Drang heraus gab er einem gefährlichen Verlangen nach, wie ein Teil seines Bewußtseins zu bedenken gab. Schockiert über sich selbst, voller Warnungen, weihte er sie ein.
9
Besser, denke ich
Der Anblick des vergoldeten, glänzenden Anhängers, der vor Nitas Augen rhythmisch von Seite zu Seite pendelte, rief in ihm das Gefühl wach, Zeuge eines archaischen Stammesrituals zu sein. Dieses Gefühl, sagte er sich spöttisch, kam nicht auf, wenn es um den Lügendetektor ging und er selbst der Fragende war. Er stand in der Ecke des großen Raumes, in gebührendem Abstand zu dem Anhänger. Der Psychiater kehrte ihm den Rücken zu und verdeckte Nitas Gesicht, die vor ihm saß. Etwas an dem Apparat, sagte er sich – das Kratzen des Polygraphen, der Anzeiger, die Amplituden, die objektiven Messungen –, ließ den Eindruck einer kultischen Handlung nicht aufkommen, den der glänzende, goldene Anhänger in ihm erweckte, der mit sicherer Hand vor einer Frau pendelte, die nach Erlösung strebte. Die ruhige, monotone Stimme, gleichermaßen streng und suggestiv, befahl auf angenehme Weise: »Sie sind müde.« – »Ihre Augen sind schwer.« – »Sie wollen schlafen.« – »Die Augen fallen Ihnen zu.« Sie annullierte die Zeitdimension, suggerierte feuchte Höhlen, Wälder, Stammeszauberer. Gleichwohl wuß te er, daß Hypnose simple Technik war. Wie sie funktionierte, hatte Elro'i ihm vor geraumer Zeit einmal erklärt. Und erst vor wenigen Minuten hatte Ruth Maschiach ihm einen Vortrag darüber gehalten. Der breite Rücken des Psych iaters verbarg Nitas Gesicht, aber nicht ihre Schuhe, die schmalen, hellen Pumps, deren Spitzen in die Höhe zeigten, und die Beine, die sie jetzt ausstreckte, was sie völlig entspannt
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