Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
wirken ließ.
»Ich glaube nicht, daß es machbar sein wird«, hatte E lro'i am Morgen gesagt, als Ruth Maschiach und Michael in seinem Zimmer saßen. Sein Gesicht, das gewöhnlich zurückhaltend und ausgeglichen wirkte, verbarg die Betroffenheit. Nur etwas an der Art, wie er den Pfeifenkopf auf dem Rand des Papierkorbs ausklopfte, wies darauf hin, wie erregt er war. »Ihr wißt, daß es nach dem Gesetz verboten ist, es geht nicht einmal um die juristische Legitimation, darum geht es gar nicht«, sagte er beinahe abgestoßen und stand auf.
Ruth Maschiach, die darauf beharrt hatte, Michael zu begleiten, stützte ihr Kinn auf die Handfläche. »Es geht um einen Notfall«, sagte sie, »und wenn sie sich einverstanden erklärt, sehe ich nicht, was daran nicht legitim sein soll.«
»Sieh mal, Ruth«, sagte Elro'i in dem Tonfall, der ihm den Ruf eines überheblichen, autoritären Typs eingebracht hatte, »wir kennen uns nun schon seit vielen Jahren. Ich kenne dich als eine Person, für die die Ethik, das Berufsethos, im Vordergrund steht«, sagte er mißbilligend.
Erst als sie vor Elro'is Tür standen, hatte Ruth Maschiach erwähnt, daß sie Elro'i aus ihrer Studienzeit kannte. »Er war einer meiner Verehrer«, lächelte sie, bevor sie an die ge schlossene Tür klopfte, »und jetzt ist er der leitende Polizeipsychologe.«
»Ich sage dir folgendes: Zum einen – er weiß das ganz ge nau«, er nickte in Richtung Michael, »ist der Einsatz von Thiopental und Wahrheitsdrogen gesetzlich verboten, auch wenn es um Zeugenaussagen geht. Nicht einmal zur Identifizierung von Vergewaltigern auf Phantombildern ist er zulässig. Und zum anderen dürfen wir Hypnose ebenfalls normalerweise nicht einsetzen. Ich entnehme eurer Erklärung, daß die betreffende Dame zum Kreis der Verdächtigen gehört. Wenigstens zur Zeit«, beeilte er sich einschränkend hinzuzufügen, als er Michaels Gesichtsausdruck sah, der den Mund öffnete, um etwas zu sagen. »Im Moment ist sie jedenfalls verdächtig«, präzisierte er. »Es geht hier ja nicht einmal um eine Zeugin, von der man eine Identifizierung wünscht. Aus unserer Abteilung würde es niemand machen. Keiner würde in diesem Fall eine Hypnose durchführen.« Er klopfte mit der Pfeife auf den runden, gläsernen Aschenbecher und sah Michael an. »Für meine Begriffe hängst du dich ein wenig zu sehr in den Fall«, sagte er vorsichtig. »Hast du ein besonderes Interesse an dieser Dame, ich meine, ein persönliches?«
Für einen Moment herrschte Stille. Ruth Maschiach kam Michael zu Hilfe, als sie mit Nachdruck sagte: »Es ist ein Notfall. Sie befindet sich in einer Zwangslage. Wir dachten, wir könnten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen ...«
»Es kommt nicht in Frage!« sagte Elro'i und setzte sich wieder. »Wenn sie in einer Zwangslage ist, verweist sie an einen Spezialisten. Wenn der entscheidet, daß sie als Teil ei ner Therapie eine Hypnose benötigt« – er breitete die Arme aus –, »dann bitteschön. Ich werde der letzte sein ... du findest doch mit Leichtigkeit jemanden«, sagte er mit gesenktem Kopf zu Ruth. »Du kennst genug Leute vom Fach. Es ist besser, wenn ein Psychiater die Hypnose empfiehlt. Was sagt Frau van Gelden selbst dazu?«
»Sie ... sie hat noch nicht ...«, stammelte Michael.
»Sie ist in einer schrecklichen Verfassung«, beeilte sich Ruth Maschiach in ihrem energischen Ton hinzuzufügen. »Sie wird vermutlich mit allem einverstanden sein, was ihre Lage erleichtert.«
Elro'i verzog skeptisch das Gesicht. Er straffte die Schultern, die ohnehin gerade waren. »Und du willst das, was bei der Hypnose herauskommt, für deine Ermittlungen verwenden?« Michael hob die Schultern, und Elro'i zog an seiner kalten Pfeife. »Du machst ja hin und wieder solche Kunststückchen mit Verdächtigen«, erwähnte er und wandte den Blick ab.
»Sie ist noch keine Verdächtige«, protestierte Michael.
»Du bist nicht bereit, eine Verdächtige in ihr zu sehen«, erläuterte Elro'i kühl. »Aber das ist es, was du mir suggerierst, vermutlich unbeabsichtigt, sogar regelrecht entgegen deiner Absicht.« Müde, überzeugt, daß es sinnlos war, sagte er erneut: »Du weißt, daß wir Hypnose nur bei Zeugen einsetzen, und auch dann sind die Ergebnisse nicht aussagekräftig, da nicht klar ist, was wirklich aus der authentischen Erinnerung stammt und was fälschlicherweise in die verdrängte Erinnerung aufgenommen worden ist. Vor allem, wenn es um verdächtige Personen geht. Nicht einmal um
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