Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
so ist, worüber haben die beiden dann ge stritten?« fragte Balilati, zog ein verbranntes Streichholz aus der Schachtel, die auf dem Tisch lag, und drückte die verkohlte Seite auf das weiße Papier, das vor ihm lag. Das Aufnahmegerät wackelte. »Und warum ist das Geschäft geschlossen worden?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Theo. »Mein Vater war nicht bereit, darüber zu reden. Immer wenn ich davon anfing, winkte er ab ... Mit Herzl habe ich überhaupt nicht darüber gesprochen, denn ich war ja nicht hier. Die letzten Monate war ich auf Konzertreise im Ausland. Ich nahm an einem Festival teil ... Ich kam nicht dazu ...« Seine Stimme erstarb. Seine Augen fuhren schuldbewußt durch den Raum. »Ich habe mich nicht korrekt gegenüber Herzl verhalten. Ich hätte mich mehr um ihn kümmern müssen. Mehr auf ihn einreden müssen. Er ist ganz allein auf der Welt. Er hat niemanden.«
»Wir durchsuchen gerade seine Wohnung«, sagte Michael.
Balilati warf ihm einen Blick zu, in dem zunächst Verblüffung lag, die zu einem Staunen wurde, das sich in einen fast offenen Zorn darüber verwandelte, daß Michael eine geheime Information weitergab, was nicht abgesprochen war. Aber bevor er den Kopf zur Seite drehte, lag in seinen Augen auch eine Art Verständnis. Und mit seinem Nicken, das von einem lautlosen Kichern begleitet war, bekundete er auch eine gewisse Anerkennung und Respekt, die er Michael schon seit geraumer Zeit nicht mehr entgegengebracht hatte. Er senkte den Kopf, als Theo erstarrte.
Theos Arm hielt in der Luft inne, sein Mund klaffte auf. »Warum denn das?« fragte Theo mit einer Mischung aus Unverständnis und Zorn. »Wieso bei ihm? In dieser Rumpelkammer? Wonach suchen Sie denn dort? Bei mir zu Hause haben Sie auch nichts gefunden. Dort habe ich zu sehr unter Schock gestanden, um zu fragen, was Sie eigentlich suchen? Ich habe Ihnen die Erlaubnis erteilt, mein Büro zu durchsuchen, die Fächer der Musiker, aber jetzt will ich es endlich wissen. Was suchen Sie eigentlich?«
»Wir suchen ein holländisches Gemälde«, sagte Michael. »Und vielleicht noch etwas, das die Dinge klärt.«
»Sie werden dort nichts finden«, winkte Theo schwach ab. »Sie verschwenden einfach Ihre Zeit. Außerdem lag er an dem besagten Tag im Krankenhaus.«
»Wir sind uns nicht sicher«, sagte Michael.
»Was soll das denn heißen?!« protestierte Theo. »Schließlich hat der Arzt ausgesagt, daß er dort war. Das ist doch eine Tatsache.«
»Er war dort«, bestätigte Michael. »Aber genau an dem Abend, an dem Ihr Vater ermordet wurde, ist er verschwunden. Schließlich liegt er nicht in der geschlossenen Abteilung. Er kann kommen und gehen. Er ist erst am späten Abend zurückgekehrt.«
»Woher wissen Sie das?!« Theo pochte auf den Tisch. »Woher wissen Sie das? Ist es überprüft worden?«
»Es ist überprüft worden. Es besteht kein Zweifel.«
»Und wo war er?«
»Das versuchen wir gerade herauszufinden. Er hilft uns nicht dabei«, erklärte Balilati. »Wir dachten, Sie könnten uns vielleicht helfen, ihn zum Reden zu bringen.«
»Ich?« erschrak Theo. »Wieso denn ich? Warum gerade ich?«
»Nun«, sagte Balilati, »es kommt kein anderer in Frage. Sie haben selbst gesagt, daß Sie ihm näherstehen als die anderen. Ihr Vater lebt nicht mehr. Es ist nicht gut, wenn wir ihn erschrecken. Wir haben ihm noch nichts von Ihrem Bruder gesagt. Zeitungen liest er nicht. Der Psychiater, der ihn behandelt, hat ihn über den Tod Ihres Vaters informiert. Er sagte, es war ein Teil des Versuchs, Herzl zurück in die Rea lität zu holen. Aber er sagte auch, daß Herzl nicht reagiert hat. Als hätte er nichts Neues erfahren.«
Theo schreckte zurück, als hätte Balilati ihn geohrfeigt. »Sie vergeuden Ihre Zeit«, sagte er schließlich. Es wird Sie Jahre kosten, die Wohnung zu durchsuchen. Sie werden nichts finden.«
»Wir haben keine Wahl«, sagte Michael. »Und Sie müssen uns helfen, mit ihm ins Gespräch zu kommen.«
»Er hat nichts verbrochen, niemals«, sagte Theo leidenschaftlich, als versuchte er, sie zu überzeugen.
»Aber vielleicht weiß er etwas, das wir nicht wissen«, sagte Balilati kühl. »Sagen wir, er weiß, wer etwas verbrochen hat.«
»Wollen Sie auf etwas Bestimmtes hinaus?« fragte Theo feindselig und ließ seine lange Hand wieder durch den silb rigen Schopf gleiten. Er schüttelte das Haar, als ob es ihn be lastete.
»Worauf soll ich hinauswollen?« fragte Balilati mit demonstrativer Unschuld. »Was meinen
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