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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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war derselbe Täter?« fragte Theo ungläu big. »Denken Sie, daß ein Zusammenhang zwischen beiden Taten besteht?«
    »Was denken Sie?« fragte Balilati. »Was meinen Sie dazu?«
    Theo wurde still und senkte den Blick auf seine Hände. Er prüfte seine Finger, die lang waren, wie die Finger Nitas, und fuhr mit der Hand über sein Gesicht. Wieder war Michael überrascht, als Theo die Hand von den Augen nahm. Wieviel Ähnlichkeit ihre Gesichtszüge hatten! Vor allem die Augen, die bei beiden tief in ihren Höhlen lagen. Etwas bewegte ihn, als Theo seine Finger in seine silbernen Haare grub, und sein Haar in der Bewegung, mit der Nita manchmal durch ihre Locken fuhr, von der Stirn nach hinten strich. »Steht deshalb ein Polizist vor Nitas Haus? Gibt es etwas, was wir wissen müßten? Schweben wir etwa in Lebensgefahr, wie man so sagt?«
    »Sie haben über Vivaldi gestritten«, brachte Michael in Erinnerung und fummelte an der Zigarette, die anzuzünden er vermied. Er hatte nicht die Absicht, Theo und schon gar nicht Nita etwas von der neuen Angst zu sagen, die ihn seit der Hypnose gepackt hatte. Wenn sie etwas gesehen hatten, und wenn jemand davon wußte, daß sie etwas gesehen hatte, er warf einen Blick auf Theo, konnte er sie nicht mehr unbewacht lassen.
    »Wer?« Theos Augen fuhren erschrocken zwischen Fenster und Tür hin und her.
    »Sie und Gabi. Über Vivaldi. Er sagte ...« Michael studierte die Papiere, die vor ihm lagen, als suchte er den Satz, den er von Nita unter Dutzenden anderer Sätze gehört hatte: »Vivaldi ist mein Bereich«.
    Theos Kehlkopf stieg auf und ab. Mit frostiger Stimme sagte er: »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Mit mir hat er nicht über Vivaldi gesprochen. Jedenfalls nicht an diesem Tag. Das ganze Leben lang haben wir über Vivaldi gestritten. Über ihn und über Corelli und über Bach und Mozart und auch über Mendelssohn. Vivaldi war wirklich sein Bereich. Wenn Sie die Absicht haben, etwas Bedeutungsvolles zu finden, das er mir vor seinem Tod mitgeteilt haben soll, wobei er mir zunächst einmal gar nichts mitgeteilt hat, denn wir haben nicht miteinander gesprochen, sage ich Ihnen, daß die Menschen in der Regel vor ihrem Tod keine großen Worte machen. Denn gewöhnlich wissen die meisten nicht, daß es jeden Augenblick mit ihnen vorbei ist.«
    »Vielleicht kehren wir zu unserem anfänglichen Thema zurück«, schlug Balilati vor und hob die Augen über der Kaffeetasse fragend zu Michael. Auch Theo schlürfte geräuschvoll den Kaffee, den Michael ihm angeboten hatte, und nickte bereitwillig. »Meinen Sie Herzl?«
    »Sie haben gesagt, daß es nicht das erste Mal war. Wie häufig ist es denn vorgekommen?«
    Theo sah nachdenklich zum Fenster. »Vielleicht vier- oder fünfmal, so genau weiß ich es nicht mehr.«
    »Und jedes Mal ist er aus freien Stücken in die Klinik gegangen?« fragte Michael und klopfte mit der Bleistiftspitze rhythmisch auf die Tischkante.
    »Ich denke, beim ersten Mal hat mein Vater ihn hingebracht«, sagte Theo langsam, als versuchte er sich zu erinnern. »Man hat uns nicht eingeweiht. Aber ich weiß noch das ein oder andere davon. Es ist zwanzig Jahre her, vielleicht auch weniger. Er kam nicht zur Arbeit. Sie konnten ihn auch telefonisch nicht erreichen. Vater ist damals zu ihm nach Hause gegangen. Wir sind nie hingegangen. Er mochte es nicht. Ich war vielleicht einmal dort. Er hielt immer die Läden geschlossen. Es war dunkel in seiner Wohnung. Nur eine kleine Birne brannte. Die ganze Wohnung war vollgestopft mit allem möglichen Plunder, den er gehortet hat. Man konnte sofort sehen, daß er allein lebte, ein Hundeleben.« Plötzlich ertappte er sich. »Ich wohne auch allein«, präzisierte er. »Aber das Alleinleben führt nicht unweigerlich zu solch einer Vernachlässigung. Meine Wohnung ist gepflegt, es ist gar nicht zu vergleichen.«
    »Hatte er keine Frau?« fragte Michael interessiert und legte den Bleistift beiseite.
    »Nein. Er hat keinen Menschen. Ich weiß nicht einmal etwas über seine Eltern, nichts über eine Familie oder woher er stammte. Höchstens, daß er allein nach Israel eingewandert ist, es war auch nach dem Krieg. Er kam als junger Mann, vielleicht sogar noch als Jugendlicher. Ich denke, er war fünfzehn oder sechzehn. Er stammt aus Belgien. Meine Eltern hatte er im Krieg kennengelernt, und er kam nach sei ner Einwanderung gleich zu uns. Er ist nach ihnen eingewandert. Wir haben nie mit ihm über die Vergangenheit ge sprochen. Das ist alles,

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