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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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wichtig?«
    »Sicher«, sie war überrascht. »Der ganze Barock, Corelli nicht? Auch Corelli. Und natürlich auch Bach. Aber auch Klassik. Auch für Gabi. Es ist schwer zu wissen, was er genau meinte. Ich«, lächelte sie verschmitzt, »ich werde Ihnen die Wahrheit sagen, ich hänge mehr an Romantik. An 19. Jahrhundert – ein Konzert von Mendelssohn oder Tschaikowski, wenn Sie Tschaikowski mit Heifetz oder mit Erika Morini hören, verstehen Sie?«
    »Hat er Ihnen früher keine Überraschungen bereitet?«
    Sie lächelte und senkte den Kopf. Als sie den Blick hob, war ihr Gesicht hart und ihre Stimme kühl und leise: »Ich lebe schon so viele Jahre, ich sehe soviel, für mich ist alles Überraschung. Jeder Besuch von ihm war Überraschung. Aufnahme oder gutes Konzert von Schüler von mir ist Über raschung. Morgens aufstehen und atmen – ist Überra schung. « Sie sah auf die Uhr, erhob sich mühsam und hinkte beinahe zur Schiebetür, die er eilig vor ihr öffnete.

13
Et homo factus est
     
     
     
    »Als ich dreizehn Jahre alt war«, sagte Juwal, als sie nach Zikhron Yaakov einbogen, »habe ich einen wichtigen Mu sikwettbewerb für Geiger gewonnen. Ich habe das Kon zert von Mendelssohn gespielt. Als ich nach dem Wett bewerb zu Dora kam, spielte ich wieder das Mendelssohn -Konzert. Als ich fertig war, sagte sie: ›Ach, weißt du, Shlomo Mintz spielte es viel besser. ‹ Ich habe gelacht. Sie hat gesagt: ›Was lachst du? Du solltest spielen wie er.‹ Ich habe nie verstanden, warum sie mir sagen mußte, daß Mintz besser spielte. Ich habe gespürt, daß es lächerlich war, denn ich war dreizehn, und Mintz hatte Jahre an diesem Stück gearbeitet.«
    Er sah Michael an, als erwarte er eine Reaktion. Als keine Reaktion kam, fuhr er fort und sagte: »Viele Leute fühlen sich durch ihre Art beleidigt. Ich nicht. Sie macht mich ner vös, aber ich fühle mich durch sie nicht gekränkt. Wir ha ben beispielsweise einmal zusammen ein Stück von Bach gehört. Plötzlich hat sie gefragt: ›Wer spielt besser, Milstein oder du?‹ Hätte ich etwas Kritisches über Milstein bemerkt, hätte sie aufgeschrien, hätte etwas gesagt wie: ›Für wen hältst du dich? Wie kommst du dazu, Milstein zu kritisieren?‹ Und wenn ich geantwortet hätte, daß Milstein wunderbar ist, hätte sie schreien können: ›Was hast du gesagt? Das ist nicht in Ordnung! Du sollst denken, daß du fabelhaft bist, daß du besser bist als Milstein. ‹ So in der Art. Es ist schließlich selbstverständlich«, Juwal wandte Michael das Gesicht zu und lächelte sehr unschuldig, »daß ich nicht gleichzeitig wie Milstein spielen kann und nicht alles an seinem Spiel lieben kann. Ich muß sehr genau überlegen, was ich sage, wenn wir zusammen Musik hören. Ich muß Kompromisse ausschließen und darf nicht darauf achten, was sie von mir hören will. Manchmal kommt es mir vor, als wäre sie gar nicht richtig anwesend«, sagte er und erschrak über seine eigenen Worte, »nicht weil sie alt ist, das dürfen Sie nicht denken. Geistig ist sie völlig in Ordnung«, versicherte er. »Es war immer so. Auch vor zwanzig Jahren, haben mir ehemalige Schüler von ihr erzählt, konnte sie ihre Schüler miteinander vergleichen und sagen, daß einer gestern besser gespielt hat, und dem anderen genau das Gegenteil versichern. Einmal, in einer der ersten Stunden, sagte sie mir, ich hätte langweilig gespielt. Als Zukerman acht Jahre alt war, hätte er dasselbe Stück auf einer Beerdigung gespielt, und alle Anwesenden hätten geweint. Ich habe das einem anderen Schüler erzählt, und er sagte mir, sie hätte ihm eine Woche zuvor das gleiche über Ashkenazy gesagt. Manchmal denke ich, sie versucht mich in die Knie zu zwingen.«
    »Sie hat mir gesagt, daß man ein starkes Ego braucht, um ein Künstler zu sein«, murmelte Michael, als er den Wagen auf einen leeren Platz zwischen zwei großen Olivenbäumen manövrierte und den Motor abstellte.
    »Anscheinend habe ich das«, sagte Juwal schlicht und streckte die Beine aus dem Auto. »An mir beißt sie sich die Zähne aus. Obwohl ich noch nicht einmal siebzehn bin. Wenn sie sich über mein Spiel beklagt, arbeite ich hartnäckig von morgens bis abends, und das nächste Mal spiele ich besser. Ich weiß auch«, sagte er, als er an der geöffneten Wagentür stand und den Geigenkoffer schwang, »daß das eine gute Vorbereitung auf eine Menge Schwierigkeiten ist. Denn in einer Musiker-Karriere erwarten einen Druck, Überraschungen und

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