Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
Vom Netzwerk:
Unsicherheit. Ich spüre es schon, ich hatte bereits eine Aufnahme. Ich habe viel von großen Geigern gehört, über all den Druck und die Dinge, die man nicht erwartet. Und sie bereitet einen hervorragend auf dieses Leben vor.«
    »Meinst du, sie ist sich dessen bewußt? Meinst du, sie will dich darauf vorbereiten?« fragte Michael, als er sich über das Schloß beugte und die Tür wieder öffnete, um festzustellen, ob er das Funkgerät ausgeschaltet hatte.
    »Ich weiß nicht, ob sie immer so genau weiß, was sie tut. Ob sie ein umfassendes Konzept hat. Sie läßt sich nie näher darüber aus, was man tun muß, um Karriere zu machen. Dafür spricht sie in Begriffen wie Disziplin und Willenskraft. Darüber redet sie. Manchmal kann das, was sie sagt, wirklich destruktiv sein. Man hat mir erzählt, daß einer ih rer berühmten Schüler schrecklich an Lampenfieber litt. Denn jedesmal, wenn er auf der Bühne stand, erinnerte er sich an all ihre Schimpftiraden und verlor die Gewißheit, gut genug zu sein.«
    »Dann habt ihr es also nicht leicht mit ihr«, sagte Michael, als sie auf das Hauptgebäude zugingen und er nach unten sah, auf die Nadeln der Kiefer, die die schwere, trockene Erde bedeckten. Und in die Höhe, zu den Wipfeln der Zypressen. Seine Augen blieben an dem bekannten Lieferwagen mit dem Logo der Elektrizitätsgesellschaft hängen. Er registrierte erleichtert, daß Theo und Nita schon da waren. Er hatte das unbestimmte Gefühl, daß ihr hier, an diesem Ort, nichts Schlimmes geschehen konnte. Aber bevor er sie nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, das wußte er, würde er sich nicht beruhigen. Auch einen schmerzhaften Stich verspürte er; denn wenn man hier, genau unter der Kiefer, eine dünne Decke ausbreitete, konnte man ein Baby auf den Rücken legen, damit es in den Himmel und in die Krone schauen konnte. Man konnte neben dem Baby liegen und sein vergnügtes Jauchzen hören. Man konnte ihm seinen Finger hinhalten, um den es die Faust schloß. Man könnte, wenn es möglich wäre.
    »Es macht mir nichts aus«, versicherte Juwal. »Ohne sie wäre es schwieriger für mich. Sie ist in meinem jetzigen Leben der wichtigste Mensch. Und wenn es sie nicht gäbe ... ich glaube, ich befürchte, ich könnte ohne ihre Bestätigung keine musikalische Entscheidung fällen. Wenn sie, sagen wir, sterben würde, da bin ich mir sicher, wäre ich vollkommen verloren.«
    Bevor sie nach Zikhron Yaakov hochgefahren waren – vielleicht wegen der Aussicht auf das Meer und den Strand, der sich auf der Anhöhe auf dem Weg nach Beth Daniel bot –, gab er sich für einen Moment seinen Phantasien hin, stellte sich vor, daß es sein Sohn war, der neben ihm saß. Schon eine Woche war vergangen, seit er mit Juwal gesprochen hatte, und auch dieses Gespräch war kurz, frustrierend und voller »Wie geht's?«, »Ist alles klar?« verlaufen. Das waren die einzigen Fragen, die Juwal immer wieder wiederholte, in allen Gesprächen, in all den Monaten, in denen er durch Südamerika unterwegs war. Auch die Ansichtskar ten, die er schickte, waren kurz und knapp. Michael hatte ihm nichts von dem Baby erzählt. Solche Dinge konnte man nicht am Telefon besprechen, dessen Zweck es war, ein Lebenszeichen zu geben. (»Hallo Papa, ich lebe«, hatte Juwal das letzte Gespräch eröffnet. »Lebst du gut?« hatte Michael nachgefragt. »Nicht schlecht«, hatte Juwal versichert, ohne Einzelheiten zu erwähnen. Dieses Gespräch, das letzte, fand statt, während das Baby auf seinem Arm lag. Der Kopf der Kleinen ruhte zwischen seiner Schulter und seinem Hals, sie schnaufte leicht in sein zweites Ohr. Er sagte seinem Sohn nicht einmal ein Wort darüber, obwohl er es so gerne getan hätte. Jetzt würde er es ihm nicht mehr sagen müssen. Jetzt würde es in dieser Angelegenheit nichts mehr zu sagen geben, denn die Wohnung war vollkommen leer, und daran war nichts Neues.) Nach seinen Berechnungen müßte Juwal in diesen Tagen von Mexiko in die USA reisen. Aber wo ge nau in den USA er in den nächsten Tagen sein würde, wußte er nicht.
    »Ist das in deinen Augen nicht eine Schwäche von ihr als Lehrerin? Findest du es gut? Kann man selbständig werden, kann man bei solch einer Abhängigkeit selbständig werden?«
    Leise, doch ohne das geringste Zögern, antwortete Juwal: »Ich glaube, es geht in Ordnung. Mir ist bewußt, daß ich erst selbständig sein werde, wenn ich mich von ihr löse, wenn ich weiterstudiere oder wenn ich anfange, in der Welt aufzutreten. Am

Weitere Kostenlose Bücher