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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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stören.
    »Wir haben den Teil der begleitenden Celli aus dem Programm gestrichen, statt dessen wird Herr van Gelden mit der Klavierbegleitung arbeiten. Wir haben auch das Telekolleg abgesagt, auf Wunsch von Herrn van Gelden, und machen nur Tonaufnahmen«, sagte sie, als gehörten sie zu den Organisatoren oder den Teilnehmern. Das Wort »Polizei« fiel nicht. Michael fragte sich, was man ihr wohl erzählt hatte.
    Eli Bachar wartete, bis sie sich entfernt hatte, und zog mit einer müden Geste einen weiteren Plastikstuhl heran, der auf dem vergilbten Rasen umgekippt war, stellte ihn auf und klopfte auf die Sitzfläche.
    »Ich habe draußen auf dich gewartet, um mit dir zu reden. Drinnen kann man nicht reden, und es kann auch nichts passieren, während er vorträgt«, sagte Eli Bachar, »deshalb muß ich nicht dabeisitzen.«
    Michael setzte sich und zündete sich eine Zigarette an.
    »Ich bin noch nie hier gewesen«, murmelte Eli, »ich wußte nicht einmal, daß diese Anlage existiert. Es ist so schön hier, doch sieh dir an, wie alles verkommt.«
    Michael versuchte zu rekonstruieren, was Nita ihm über die Familien Bentwich erzählt hatte, und nickte.
    »Sie haben vor ein paar Monaten mit der Renovierung begonnen«, erklärte Eli. »Aber diese junge Frau, sie ist die Leiterin, hat mir erzählt, daß sie die Arbeiten eingestellt haben. Mitten in der Renovierung haben sie aufgehört, und so sieht es jetzt hier aus. Die Arbeiter haben die alten Fenster wieder eingebaut, anstatt sie durch neue zu ersetzen, der Gips bröckelt und so weiter. Ist das nicht schade?«
    Michael nickte.
    Ein Lichtfleck lag auf dem Rasen vor ihm. Wieder breitete er vor seinem inneren Auge eine bunte Decke aus und legte das Baby auf den Bauch. Wer trug es jetzt auf dem Arm? Wer atmete jetzt den Geruch seiner Wangen ein?
    »Ich habe noch nie etwas über diesen Ort gehört. Sie veranstalten hier Konzerte. Bist du schon mal hier gewesen?«
    »Einmal, es ist lange her«, murmelte Michael und drehte den Kopf in Richtung Lilian-Haus. Er war mit Awigail vor zwei Jahren dort gewesen, an einem herbstlichen Abend des Laubhüttenfestes. Ein paar Monate bevor sie sich endgültig trennten. Man hatte das Forellenquintett von Schubert gespielt. Und Awigail hatte mit verschlossenem Gesicht ins Leere gestarrt, halb versteckt hinter einer großen, dunklen Sonnenbrille, ohne sich zu rühren, hatte nicht ein einziges Mal gelächelt und nicht auf die Musik reagiert, die aus dem Saal gedrungen war. Sie hatte darauf bestanden, daß sie von draußen auf dem Rasen zuhörten. Es stimmte nicht, was man behauptete, daß Trauer keine Zeichen hinterließ. Der Gedanke an die Klänge des Forellenquintetts, selbst die freudige Eröffnung, würde immer mit Awigails Schwermut und Trauer verbunden sein, die sich geweigert hatte, die Sonnenbrille abzuziehen, als die Sonne längst untergegangen war. Groß und rund hatte sie die Hälfte ihres Gesichts bedeckt, und nur ihr schöner, verkniffener Mund und die trockenen Lippen waren zu sehen gewesen. Lange, weiße Ärmel waren fest um ihre Handgelenke geknöpft gewesen. In der Nacht im Gästehaus hatte sie geweint. Nicht einmal mit seiner Liebe konnte ein Mensch seinen Nächsten erlösen.
    »Wo ist Nita?« kam er zu sich und fragte Eli, der die Schultern zuckte und sagte: »Im Saal. Ihr Körper ist im Saal, wo ihre Gedanken sind, weiß der Himmel. Den ganzen Weg über hat ihr Bruder ununterbrochen geredet, sie hat nicht ein einziges Wort gesagt. Sie hat nur aus dem Fenster geschaut und geschwiegen. Den ganzen Weg von Jerusalem nach Zikhron. Und er – er hat den Mund nicht zugemacht, hat auf sie eingeredet und eingeredet und eingeredet, als höre sie zu. Ich hatte das Gefühl, daß sie nicht ein Wort mitbekam. Die Hälfte der Strecke hat sie geschlafen. Ich glaube, sie steht total unter Medikamenten. Und bis sie einverstanden war, ihr Baby zurückzulassen! Ich verstehe gar nicht, warum ... aber ihr Bruder hat darauf bestanden, daß sie mitfährt. Er hat ihr eingehämmert, daß sie in den nächsten Tagen nicht von seiner Seite weichen soll. Zumindest bis zum Begräbnis. Die Leiterin hat mir gesagt, daß der Workshop, den sie hier geben sollte, verschoben wurde. Sie warten auf einen großen Star, irgendeinen Sänger, weißt du etwas davon?«
    »Balilati hat mir etwas über einen jungen Kollegen gesagt, den ihr anstelle von Dalit mitgenommen habt.«
    »Er ist im Saal. Ich kenne ihn nicht, aber er macht einen guten Eindruck. Er hat keine

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