Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
ein. »Bei diesem Fall bist du auch nicht nach den Vorschriften vorgegangen, was?«
»Mal sehen«, wich Michael aus. Jetzt hatte er nichts mehr, wofür und wogegen er kämpfen sollte. Er hatte nicht in Erwägung gezogen, daß man die Mutter finden könnte.
»Es wird schon alles gut werden«, versprach Balilati. »Wir werden dich nicht im Stich lassen, wir werden dir deine guten Absichten bezeugen«, kicherte er. »Willst du zu erst zum Konzertzentrum fahren oder zuerst mit Isi Maschiach sprechen? Der sitzt seit heute morgen hier.«
»Zuerst Isi Maschiach, denke ich, aber ihr könnt schon anfangen, in dem Papierkram zu suchen.«
»Das dürfte nicht so einfach sein«, sagte Balilati gif tig. »Denn wer außer euer Gnaden weiß, wonach wir suchen?«
»Noten. Sucht nach Noten!«
»Aha«, stieß Balilati aus und lehnte sich zurück. Seine kleinen Augen waren von roten Adern durchzogen und verliehen seinem Gesicht den Ausdruck eines betagten Trinkers.
»Was du nicht sagst?! Nur Noten? Noten?! Hast du gesehen, wieviel Noten darunter sind? Bist du jetzt völlig durchgedreht?« Er beugte sich vor. »Du wirst«, sagte er beinahe flüsternd, »ein wenig präzisieren müssen, wenn möglich.«
»Wenn ich mit Isi Maschiach gesprochen habe«, sagte Michael beharrlich. »Alles, was ich im Moment sagen kann, ist, daß ich nicht weiß, wie sie aussehen. Nur daß sie alt sind. Wir suchen ein fast dreihundert Jahre altes Stück Papier mit Noten.«
»Keiner«, Balilati verschluckte sich und hustete ausgiebig, »keiner, hörst du? Wirklich keiner außer dir kann so etwas von mir verlangen. Vielleicht erklärst du mir ... ach, was soll's.«
»Und Expertisen«, dachte Michael laut. »Vielleicht rufst du auch jemanden vom Labor her, damit wir einen Sachverständigen für altes Papier haben.«
»Ich werde nichts und niemanden rufen, bis wir etwas gefunden haben!« schrie Balilati. »Ich ziehe keinen ab! Es kann die ganze Nacht dauern, zwei Tage, was weiß ich? Wenn überhaupt, wenn überhaupt! Zuerst findest du gefälligst etwas, dann bringen wir jemanden her!«
Er sah auf die leere Kaffeetasse, schüttelte sie und sagte leiser: »Für mich reicht es, was die junge Frau gesagt hat. Es war ganz leicht, sie zum Reden zu bringen. In zehn Minu ten hatten wir aus ihr herausgeholt, daß er bei ihr sein sollte, hörst du? Er sollte! Er war mit ihr verabredet, eine Stunde hat sie gewartet, dann ist sie gegangen. Er war mit ihr in einem Café verabredet und ist nicht gekommen. Am Ende hat er bei ihr zu Hause vorbeigeschaut. Eine Viertelstunde, bevor er sowieso weg mußte. Und sie mußte auch weg, denn sie spielte ebenfalls. Sie ist die Ersatzgeige. Er bat sie, nicht zu sagen, daß er sich verspätet hatte. Er versprach ihr das Blaue vom Himmel. So ein Hornochse, warum sollte sie für ihn den Kopf hinhalten? Sobald ich ihr gesagt habe, ich würde sie wegen Falschaussage belangen, hat sie gesungen. Mir genügt es. Jetzt, wo er kein Alibi hat, können wir ihn festnehmen, ohne Probleme!«
Um ein Haar hätte er sich dazu hinreißen lassen zu sagen, »dann verhafte ihn in Gottes Namen und basta.« Aber statt dessen sagte er: »Tu mir einen Gefallen, ich weiß, daß du hier die Untersuchung leitest, aber glaube mir, wenn ich Un recht habe, sage ich kein einziges Wort mehr. Glaube mir, auch wenn du denkst, daß ich übergeschnappt bin, was du ja ständig wiederholst, es ist besser, mit ihm zu sprechen, be vor wir ihn verhaften. Alles liegt noch zu sehr im dunkeln. Mit Rechtsanwälten, wie er sie sich nehmen wird, ist es gescheiter, wenn wir vorher eine Aussage von ihm haben. Und dann ...«
»Du willst ein Geständnis von ihm bekommen?!« kicherte Balilati. »Wenn mir hier Haare wachsen, hörst du?!« rief er und klopfte auf seine Handflächen, dann faßte er sich, und mit einer normalen Stimme fügte er hinzu: »Isi Maschiach wartet dort bei Zila.« Er stand schwerfällig auf und schob den Stuhl zurück. »Ich fahre jetzt zum Konzertzentrum. Die Noten aus seinem Haus werden in dein Büro ge bracht. Die aus dem Konzertzentrum rühre ich nicht an. Der ganze Morgen ist ohnehin schon für diese Geschichte draufgegangen.« Er kehrte sein Gesicht dem Fenster zu und befühlte zerstreut seine Wange.
»Welche Geschichte?«
»Na diese Geschichte mit ... mit Dalit«, sagte er sichtbar verlegen. »Elro'i hat sich der Sache angenommen. Er hat mich schon zu sich gerufen. Sie ... Es ist eine Krankheit. Weißt du das? Sie ist krank«, sagte er verblüfft.
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