Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
dir nicht sagen, sag mir nur, ob Gabi in der letzten Zeit irgendwann einmal mit dir über ein Requiem von Vivaldi gesprochen hat.«
Sie zog die Hand von der Stirn, sah ihn an, als ob er sie aus jeder Sicht enttäuscht hätte. »Wie bitte?« fragte sie.
»Gabi, ein Requiem von Vivaldi, ob er mit dir darüber gesprochen hat«, fragte er mit erstickter Stimme und sah in ihre vergrößerten Pupillen, die beinahe die ganze Fläche der Augen einnahmen.
»Vivaldi hat kein Requiem geschrieben«, sagte Nita und wandte den Blick zur Seite, als ob es sie verlegen machte, sein Gesicht zu sehen. »Weißt du nicht, daß es kein Requiem von Vivaldi gibt?«
»Das heißt, Gabi hat dir nichts über diese Sache gesagt?«
»Wie konnte er es mir sagen, wenn es kein Requiem von Vivaldi gibt!« sagte Nita und beschattete erneut die Augen. »Ist das alles, was du wolltest?«
Er senkte den Kopf.
»Sie haben das Baby abgeholt, auch das Baby haben sie weggenommen.«
Er nickte.
Sie sah in seine Augen, als suchte sie nach Zeichen. »Und das war alles?« fragte sie mit schwacher Stimme und starrte ihn einen Moment lang an, als er dort stand und schwieg. »Dann ist alles vorbei«, murmelte sie und ging langsam zurück in den Saal. Er sah ihr nach. Ein paar Schritte wei ter stand Ja'ir, und nicht weit von ihm wartete Eli Bachar, und auch er sah ihr nach.
»Diese Theorie klingt wunderbar. Nicht, daß ich ein Wort von dem verstehe, das du sagst, aber diese Theorie klingt wirklich wunderbar. Und warum muß ich alles verstehen? Es reicht, wenn du es verstehst, du kennst dich ja in diesen Dingen aus. Arie Levi hätte dir schon etwas dazu gesagt«, er sprach vom Polizeichef im Ruhestand, »aber mich, mich stört es nicht, daß du diese ganze Ausbildung hast. Ich finde es sehr schön. Aber was ist der Haken daran? Bei allem Respekt«, Balilati streckte den Arm in einer tänzelnden Bewegung aus, beschrieb einen Bogen im Stil D'Artagnans, wedelte in der Luft, »in der Zwischenzeit hängt alles in der Luft, eine Fata Morgana.«
»Darum habe ich dich um die Durchsuchungsbefehle ge beten und um die Kisten mit allen Papieren, und darum bitte ich auch um Verstärkung für die Durchsuchungen.«
»Ja, die habe ich vorbereitet«, sagte Balilati und zog einen Stapel Papiere aus der Schreibtischschublade. »Und wenn du nicht vorher bei dir zu Hause haltgemacht hättest und nicht hier dich eine halbe Stunde lang mit dieser Mal ka unterhalten hättest, wärst du längst fertig mit Isi Maschiach.«
»Ich war nicht zu Hause«, protestierte Michael. »Ich bin nicht einmal dort vorbeigefahren, seit ...«
»Ich dachte, du hättest die Kleider gewechselt«, entschuldigte sich Balilati. »Ich dachte, du hattest heute morgen ein anderes Hemd an.«
»Schön wäre es«, murmelte Michael. »Ich bin aus Zikhron Yaakov direkt hierhergekommen und habe Malka angetroffen. Sie hat auf dem Flur gewartet. Das hast du doch gesehen.« Er wurde still und sah zum Fenster, kämpfte mit dem aggressiven Drang, Balilatis Neugier nicht zu befriedigen. »Man hat sie gefunden«, sagte er schließlich.
»Wen?«
»Die Mutter, man hat sie gefunden. Das heißt, man hat sie nicht genau gefunden. Eine Freundin von ihr hat sie überredet, mit der Sozialarbeiterin zu sprechen, die für Neueinwanderer zuständig ist.«
»Ist sie eine Neueinwanderin?«
»Ein neunzehn Jahre altes Mädchen. Eine Russin, völlig allein auf der Welt.«
»Und, wird man ihr die Kleine zurückgeben?« fragte Ba lilati ungläubig und fügte sofort hinzu: »Bestimmt wird man ihr das Kind nicht mehr geben. Man wird sie vor Gericht stellen. Sie hat sich strafbar gemacht. Es ist strafbar, Kinder in fremden Bunkern zu deponieren.«
»Ich weiß nicht, was passiert«, zögerte Michael. »Ich habe verstanden, daß man die Lage berücksichtigen wird. Auf jeden Fall ist sie ganz allein ins Land gekommen, und irgendeiner hat sie reingelegt ... Ich weiß nichts Genaues. Inzwischen ist die Kleine bei einer Pflegefamilie, das hat Malka gesagt, und es ist noch nicht klar, was aus ihr wird.«
»Will sie überhaupt das Kind zurück? Sie kann darauf verzichten. Wenn sie es jetzt zur Adoption freigibt, mit dieser ganzen Warteschlange, wird man sicher sofort darauf eingehen. Aber wenn sie anfängt, Schwierigkeiten zu machen ... ich weiß nicht. Sicher wird die Akte geschlossen. Aber wir lassen das jetzt.«
Michael nickte.
»Du wirst eine Aussage machen müssen, wenn es zu einer Verhandlung kommt«, fiel Balilati plötzlich
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