Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
ihrem Tonus sehr zufrieden. Michael hatte über seine Schulter gelugt, als er an ihren Beinen zog und wieder losließ, um den Widerstand ihrer Beinmuskulatur zu prüfen. Sie hatte geschrien, als sie nackt auf Idos Wickelkommode lag. Der Arzt hatte einen Bericht für das Jugendamt angefertigt. Zila war es auch gelungen, es so hin zubiegen, daß ihrer besten Freundin der Fall und die Suche nach der Identität der Mutter übertragen wurden. Sie hatte geschworen, keiner Menschenseele etwas zu verraten, und hatte Wort gehalten.
Die Wachtmeisterin Malka hatte sich hauptsächlich mit Nita unterhalten. Sie war ein Jahr zuvor aus Kirjat Chaim nach Jerusalem gezogen und wußte nichts von Michael. So war der vorläufige Stand der Dinge (wie ein Messer durchfuhr ihn ab und zu das Wort »vorläufig«). Kein Mensch bei der Polizei, nicht einmal Schorer, wußte, daß sein plötzliches Verschwinden und Nachhausehasten einem Baby galten. Seine Abwesenheiten wurden mit völligem Verständnis akzeptiert, weil jeder wußte, daß er der Mordkommission zugeteilt war, aber noch nicht offiziell die Arbeit aufgenommen hatte. »Nach den Feiertagen«, sagte Schorer und stöhnte selbst über das Klischee, aber er wiederholte es.
Alle möglichen Dinge, vor denen Michael sich gefürchtet hatte, hatten sich in beruhigender Weise geregelt. Zila, die jahrelang mit ihm in der Mordkommission gearbeitet hatte, hatte sich gleich beim ersten Treffen gut mit Nita verstanden, in dem tiefen Verständnis, das Frauen füreinander aufbrachten, wenn sie begriffen, daß es an der Zeit war, sich um wirklich wesentliche Dinge zu kümmern und keine Minute mit Nebensächlichkeiten zu verschwenden. Nicht einmal mit der geringsten Andeutung zeigte Zila auch nur den Schatten der Erwartung einer anderen Beziehung zwischen Michael und Nita als der, die er ihr beschrieben hatte – es ist eine starke Freundschaft, hatte er gesagt, eine neue, aber auch in unsrem Alter kann man noch Freunde finden. Man wundert sich, was alles passieren kann, wenn man einem anderen vertraut, wenigstens in gewisser Weise. Es ist nicht mehr zwischen uns. Bau nicht darauf. Zila hatte beleidigt Augen und Mund aufgerissen, aber er hatte ihr keine Chance gelassen. Ich sage es dir gleich, damit du weißt, daß es hier um einen Deal geht und um ein vorübergehendes gemeinsames Interesse. Sie hatte auch nichts über seinen Wunsch, das Baby zu behalten, geäußert und auch keine kritische Bemerkung über seinen Tagesablauf verlauten lassen. Sie hatte ihn in den ersten Tagen nach dem Feiertag gedeckt, wenn er sich früher zu Nitas Wohnung schlich. Sie hatte auch die Kinderfrau gefunden, die es Nita ermög lichte, tagsüber zu spielen und an den Proben teilzunehmen.
Gerade wegen den Babys war die Beziehung zwischen Nita und Michael zweckmäßiger Natur, frei von jeglicher Romantik. Wir sind ein Kinderheim, hatte Nita gesagt. Er berührte sie nie, abgesehen von einem Streicheln des Arms, einem Kuß auf die Wange. Gesten der Zuneigung, die offenkundig unschuldig waren. Manchmal, wenn sie nah beieinander standen, beispielsweise beim Baden der Babys, achtete er darauf, sie nicht zufällig zu berühren, als ob er spürte, daß jede Berührung ihr gefährlich werden könnte. Außerdem hatte er das starke Gefühl, sie zu benutzen. Sie war zufällig im richtigen Moment dagewesen und hatte gepaßt. Und obwohl sie ihm immer wieder bestätigte, wie sehr ihr das Zusammensein mit ihm guttat, sogar wenn er wußte, daß sie es auch so meinte, und obgleich er sie sehr mochte und sich keine Minute mit ihr langweilte, konnte er nicht das Gefühl loswerden, daß er sie ausnutzte. Es lag auch etwas in ihrer Magerkeit, in der asketischen Zerbrechlichkeit ihrer hochgewachsenen Silhouette, das keine Begierde in ihm aufkommen ließ. Wenn er den Drang verspürte, sie zu berühren, ging es darum, sie an den Schultern zu packen und ihr Gesicht zu streicheln, sie vor Momenten der Angst und des Selbsthasses zu schützen. Vor ihrer zwanghaften Neigung, Bilder und Worte zu rekonstruieren, die man ihr in der Vergangenheit gesagt hatte, an die sie glaubte und denen sie sich auslieferte und die sie sich immer wieder krampfhaft in Erinnerung rief, um sie mit dem Geschehen in der Gegenwart zu konfrontieren. Beleidigung und Zorn brachten sie plötzlich, in unerwarteten Momen ten, zum Zittern. Er lernte, was dahintersteckte, auch wenn die Beleidigung und die Wut hinter banalen Aussagen zum Vorschein kamen, die für ein fremdes Ohr
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