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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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vollkommen nichtssagend waren, wie: »Was zählt, sind nur Taten. Worte sind Schall und Rauch.« Oder: »Die Versprechungen von ewiger Verbundenheit zwischen Menschen sind wertlos. Alles ist temporär und vergänglich.« Oder: »So was wie die Liebe gibt es gar nicht. Alles ist entweder Sexualität oder Leidenschaft und flaut sofort ab. Viel besser ist Freundschaft ohne Leidenschaft, denn sie ist zumindest nicht von vornherein zur Nichtigkeit verdammt.«
    In solchen Momenten versuchte er sie abzulenken und ihre Aufmerksamkeit auf simple, alltägliche Fragen zu len ken. Er wollte den genauen Termin wissen, an dem die Drei fachimpfung vorgenommen werden sollte, oder bemerkte, wie früh Ido doch zahnte und wie viele Schlafstunden in der kommenden Nacht zu erwarten waren. Er wunderte sich über die Energie, mit der sie an den Gedanken über Ernied rigung und Beleidigung festhielt. Einmal sprach er es aus. Er wollte es ihr zärtlich sagen, aber es brach mit einer Schärfe aus ihm heraus, die er nicht beabsichtigt hatte. »Ich weiß es nicht, aber wenn man mich erniedrigt hätte, wenn ich mich so betrogen fühlen würde, würde ich mich unbedingt davon freimachen und das Ganze nicht jede Minute aufs neue durchleben, es geht ja schließlich nicht mehr um Liebe. Du liebst ihn doch längst nicht mehr. Vielleicht hat das Ganze ja etwas mit Masochismus zu tun?«
    »Ich werde die erste sein, die an jede negative Bemerkung über mich glaubt, gleich, von wem sie stammt«, antwortete sie und kniff die Lippen zusammen. Aber sobald Ido eingeschlafen war, war sie zu der Arbeit an der Cellostimme im Doppelkonzert zurückgekehrt und spielte den ersten Satz besser als gewöhnlich. Und es hatte auch einen Abend gegeben, an dem er zwischen Küche und Wohnzimmer stand, auf dem Weg in seine Wohnung, und ihr bei einem zusammenhängenden Spiel des ersten Satzes gelauscht hatte. Es schien, daß es von einer Vollkommenheit war, wie er sie noch nie gehört hatte. Eine Tiefe wurde hier vor seinen Ohren produziert, wie er sie nie zuvor wahrgenommen hatte. Erschüttert war er mit dem Baby im Arm in seine Wohnung gegangen. Letztendlich, sagte er sich, als er an seinem Fenster gestanden hatte und den Klängen über sich zuhörte, waren seine schönsten Stunden wahrhaftig die, die er allein mit dem Baby verbrachte. Auch wenn die Möglichkeit, zu einem Künstler in enger Beziehung zu stehen, einen eigenen Reiz hatte. Er hatte die Kleine angesehen und sich das Leben ausgemalt, das er ihr bieten würde.
    Zwei Dünen hatte das Doppelkinn der Schwester von der Fürsorge. Als er ihr Gesicht sah, wußte er, wie man mit ihr umzugehen hatte. Auch vorher hatte er schon eine Ver mutung, aber als er das schwere, erschöpfte Gesicht vor sich hatte, war er sich ganz sicher. Es war ein Gesicht ohne Anmut und Gnade. Das Gesicht einer Frau mittleren Al ters, mit der das Leben nicht allzu hart umgegangen war, sich aber auch nicht allzusehr bemüht hatte. Eine Frau, deren Haare zu rötlich-gelblichen Locken gedreht waren und deren Bauch vorstand. Ihre Beine schienen zu dünn, um den Rumpf zu tragen. Die Füße steckten in plumpen Gesundheitssandalen, und die mit kitschigem Rosa lackierten Fußnägel ragten unter einem langen weiten Rock vor. Auch wegen der Beine, so vermutete er, änderte sie ständig das Standbein. Als er ihre kleinen argwöhnischen, gelangweilten Augen sah, war er ganz besonders froh, zu Hause geblieben zu sein. Die hätte Nita in der Pfeife geraucht, dachte er. Sie hätte sie vielleicht sogar zu einem Geständnis veranlaßt.
    »Wissen Sie, daß das Schild auf ihrem Briefkasten unleserlich ist«, tadelte sie ihn schon am Eingang und keuchte, als wäre sie zum vierten Stock hochgeklettert. Er entschuldigte sich mit Wortfetzen und versprach, das Schild auszuwechseln. Sie gab sich nicht zufrieden. »So eine Schlamperei kann fatale Folgen haben. Wenn ich nicht so hartnäckig wäre, wäre ich nun nicht hier«, sagte sie mit heiserer Stimme, als wäre sie eine Kettenraucherin. Dabei sah sie eher aus, als hätte sie noch nie eine Zigarette zwischen den Fingern gehalten. Er wiederholte, daß er das Problem noch heute beheben würde. Sie schwieg und sah sich mit ihrem griesgrämigen, gleichgültigen Gesicht um, als suche sie nach einem neuen Objekt, an dem sie herummäkeln könnte. Aber dann fielen ihre Augen auf sein Gesicht. Sie sah ihn an und lächelte plötzlich. Ein kleines Lächeln, das kokett zu sein versuchte. Seine Mundmuskeln schritten sogleich zur

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