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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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starken Druck auf den Hals ist es eine Sache von einer Minute. Wegen des geringeren Durchmessers gehen zuerst die Adern zu, denn sie sind dünner als die Luftröhre. Wenn es hier etwas Dickeres gewesen wäre, sagen wir ein Seil, hätte ein Erdrosseln vorgelegen oder ein Aderverschluß. Aber ich bin mir ganz und gar nicht sicher, ob in diesem Fall genug Zeit für einen Aderverschluß vorlag. Der Hals ist eine sensible Körperregion«, sagte er und deponierte die Taschenlampe neben der Leiche. »Ich bin sicher, daß er nicht erdrosselt wurde, denn es ging zu schnell, aber wir werden auch das überprüfen.«
    Die Taschenlampe war genau auf den aufgeschlitzten Hals gerichtet. Michael wandte sich ab.
    »Wenn er erdrosselt worden wäre, hätten wir hervorquellende Augen, geplatzte Äderchen in den Augen, Aufgedunsenheit, blaues Gesicht, geschwollene Zunge, solcherlei Dinge eben«, diskutierte Solomon mit einem Unsichtbaren. »Aber diese Kerbe auf dem Hals beweist, daß es gar keinen Druck gab. Beim Erdrosseln ist die Todesursache der Verschluß der großen Blutgefäße, die zum Hirn führen, das liegt hier nicht vor«, fügte er beharrlich hinzu, als hätte irgend jemand von ihm verlangt, seine Theorie zu untermauern. »Hier haben wir einen runden Schnitt, jemand hat den vorderen Teil des Halses durchtrennt und ist tief durch das knorpelige Skelett vorgedrungen. Der Widerstand, das heißt der Hals, der Kopf, der gegen den Pfosten gepreßt wurde, kurzum – die Kraft des Widerstands trug zur Geschwindigkeit und der Tiefe des Schnittes bei.«
    »Vielleicht war der Gips zu einem anderen Zeitpunkt auf das Hemd gekommen. Sagen wir, heute morgen«, sagte Michael. Er hörte, wie seine Stimme bebte. Jede Sekunde, die er dort stand, könnte der Moment sein, in dem Nita erwachte. Wie konnte er sie dort allein zurücklassen. Theo ist bei ihr, versuchte er sich zu beruhigen. Sie ist nicht allein. Sie wird nicht so schnell aufwachen, sagte er sich. Seine Füße waren schwer. Er mußte alles wissen, was der Pathologe schon sagen konnte.
    »Vielleicht«, zweifelte Solomon. »Bei der Spurensicherung finden sie sicher mehr heraus als ich. Aber es ist nicht so wesentlich. Es steht fest, daß er stand, wegen der Tropfen, die ich Ihnen vorhin gezeigt habe.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Michael, und seine Stimme bebte noch immer unkontrolliert, »einmal von einem reflektorischen Tod gehört zu haben. Wenn auf bestimmte Punkte am Hals Druck ausgeübt wird und ein plötzlicher Fall des Blutdrucks bewirkt wird, tritt auf der Stelle der Tod ein, noch vor dem Blutverlust.«
    Dr. Solomon ließ ein Kichern verlauten. »Diese ganzen Spekulationen bringen jetzt nichts«, sagte er überheblich. »Wenn die Blutgefäße gekappt sind und die Luftröhre beschädigt ist, reicht das schon, wir brauchen den Blutdruck nicht.«
    »Was meinen Sie? Er hat sich gegen den Pfosten gelehnt, jemand ist von hinten mit ... mit einem dünnen Draht an ihn herangekommen.«
    »Oder einer Nylonschnur, wenn sie sehr dünn und stark war«, schnitt Solomon ihm das Wort ab.
    »Hat er die Schnur von hinten um den Hals und festgezogen, etwa so?« fragte Michael, stellte sich hinter den Pfosten, breitete die Arme aus und zog an einer imaginären Schnur.
    »Ja, ungefähr so«, pflichtete Solomon ihm bei. »Sie müssen daran denken, daß ich noch nicht alles überprüft und hier auch kein Labor zur Verfügung habe. Aber so sehe ich den Fall. Das Opfer stand da, den Kopf gegen den Pfeiler gelehnt, sein Hals ragte sogar etwas vor, und nachdem ... ei nen Moment!« rief er mit wachem Interesse und unter suchte sorgsam Gabriels rechte Handfläche. »Hier! Bitteschön!« rief er triumphierend und schaute rasch wieder durch die Lupe. »Sehen Sie, sehen Sie diesen Schnitt?« Michael bückte sich neben der Leiche. Durch die Lupe sah er Schnitte in den Gelenken von Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand des Toten. Vor einer Weile hatte diese Hand noch den Bogen gehalten, durchzuckte es ihn. Der Pathologe untersuchte die linke Hand. »Hier ist es schwächer«, murmelte er.
    »Hat er sich gewehrt?« fragte Zila.
    »Es ist ihm kaum gelungen. Aber Sie sehen, daß der Gegenstand, der ihm den Hals zuzog, dünn war. Er hat instinktiv mit beiden Händen danach gegriffen, um sich zu befreien, aber es ist ihm natürlich nicht gelungen. Für uns ist es wichtig, weil es unsere Vermutungen über den Tathergang bestätigt.«
    »Ein Draht? Eine Nylonschnur?« dachte Michael laut, schob das Bild des vor

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