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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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ließ er zärtlich einen Finger über die Saiten gleiten, berührte den Stoff, der zusammengerollt unter dem rötlich glänzenden Instrument lag, und tastete den Kolophonium-Würfel, der verpackt in dem kleinen Fach lag, und erst dann, ganz langsam, zog er die flache Hülle aus dünnem Papier heraus und rollte die Saiten auf, die darin aufbewahrt wurden. »Vier«, murmelte er, als er jede von ihnen mit den Fingerspitzen betastete. Awigdor stand über ihm und rieb sich die Hände. »Ich habe immer vier dabei«, sagte er mit zittriger Stimme. »Denn sie reißen. Man kann nie wissen, ich bin immer für alles gerüstet ...«
    »Und die ist die schärfste«, sagte Michael, als er eine der vier Saiten zwischen seinen Fingern hielt und in ihrer ganzen Länge ausbreitete.
    »Das ist die e-Saite«, sagte Awigdor, als ob er sich im Na men aller Saiten entschuldigen wollte. »Sie ist die höchste und darum die dünnste«, rechtfertigte er sich.
    »Dr. Solomon!« rief Michael lauthals aus dem Saal, und Solomon beeilte sich, von der Hinterbühne nach vorne zu laufen, bis zum Bühnenrand, dort stand er unter dem schwachen Licht. »Kann es sein ...?« fragte Michael laut und verstummte plötzlich. Er sah Awigdor an, schaute auf die Saite und stieg auf die Bühne. »Kann es die Saite einer Geige gewesen sein?« fragte er flüsternd, als er ganz nah bei Solomon stand und die e-Saite zwischen seinen Händen auseinanderzog.
    Solomon befühlte die Saite mit den Fingern, die noch immer in den Handschuhen steckten, zog flink den rechten Handschuh ab und warf ihn beiseite, tastete erneut, nickte und summte: »Es kann sein, warum nicht?« Und nach ei nem kurzen Nachdenken bemerkte er: »Wenn sie lang genug ist. Wir müssen ihre Länge überprüfen, wir brauchen mindestens siebzig bis achtzig Zentimeter, für den Spielraum für die Hände«, fügte er laut hinzu. »Scht ... reden Sie leise!« warnte Michael.
    Solomon sah ihn verständnislos an.
    »Ich will, daß es diskret behandelt wird. Wie damals, als wir den BH-Träger nicht bekanntgaben. Wissen Sie noch? Als wir der Öffentlichkeit vorenthielten, womit die Frau erdrosselt worden war?«
    Solomon bekundete sein Einverständnis. »Sie haben ge sagt, es wäre hilfreich für den Lügendetektor«, fiel ihm ein.
    »Je weniger man weiß – desto mehr finden wir heraus«, bestimmte Michael und fügte mit weniger Strenge hinzu: »Vielleicht.« Er schaute in den halbdunklen Saal auf Awigdor, der sich mit schlaffem Körper, als sei er kurz davor, das Bewußtsein zu verlieren, auf den Sitz neben dem Geigenkoffer fallen gelassen hatte. Zila stand noch am Ende der Sitzreihe.
    »Schimschon!« rief Michael. »Kommt schnell einmal her!« Der junge Mann von der Spurensicherung sprang auf die Bühne, als habe er den Ruf erwartet.
    »Es könnte sein«, sagte Dr. Solomon und befühlte die Saite. »Und ob es sein könnte. Aber vermutlich ist sie ein wenig zu kurz.«
    »Nur von einer Geige?« fragte Michael.
    Dr. Solomon verzog zweifelnd das Gesicht. »Nein, ich muß auch die Saiten der Bratsche sehen«, sagte er sach lich. »Früher haben sie sie aus Katzendärmen hergestellt«, kicherte er. »Wo gibt es hier eine Bratsche? Wir brau chen auch ein Cello. Und vielleicht auch einen Kontrabaß, wir müssen ihren Durchmesser und ihre Länge überprü fen.«
    »Die Leute sitzen mit den Instrumenten draußen«, rief Schimschon in Erinnerung.
    »Ich werde jemanden mit einer Bratsche herholen«, sagte Zila, die inzwischen auf die Bühne gekommen war.
    »Ich will nicht, daß sie wissen, wonach wir suchen«, sagte Michael. »Von diesem Moment an gilt es als streng vertraulich.«
    »Wie sollen wir es dann überprüfen«, fragte Schimschon. »Wie sollen wir es herausfinden?«
    »Wir werden etwas erfinden. Wir werden es in andere Fragen verpacken. Auch alle Hände werden wir überprüfen.«
    »Es gibt keinen Grund, nicht mit dem Bratschisten anzufangen«, sagte Zila. »Die meisten Streicher sind geblieben. Sie sollten mit ihm arbeiten«, machte sie mit dem Kopf ein Zeichen auf die Hinterbühne und schüttelte sich. »Ich gehe raus, um einen zu rufen. Denk du darüber nach, wie du es verpackst.«
    »Bringen Sie auch ein Cello«, rief Dr. Solomon hinter ihr her, während sie mühsam die schwere Holztüre öffnete.
    »Ich falle gleich in Ohnmacht«, warnte Awigdor aus dem halbdunklen Saal. »Mir ist nicht gut.«
    »Wir bringen Ihnen gleich ein Glas Wasser«, versprach Michael und stieg von der Bühne. »Rühren Sie sich

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