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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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nicht und atmen Sie tief durch«, versuchte er ihn zu beruhigen und ließ sich auf dem Sitz neben ihm nieder. »Strecken Sie die Beine aus und atmen Sie tief«, wies er ihn an. »Wo waren Sie, als Gabriel van Gelden hinter der Bühne verschwand?« fragte er gelassen und wie beiläufig. Awigdor schnappte mühsam nach Luft, er hustete lange, bevor er sagte: »Ich ... ich ... ich ...« Michael wartete. »Nach der Probe, als er die Bühne verließ, dachte ich, wir hätten eine Pause. Zumindest, bis er sich mit uns unterhalten würde. Da habe ich ... draußen an der frischen Luft, gegenüber, etwas gegessen. Es gibt da einen Kiosk, da kann man eine Kleinigkeit essen, ich habe es heute morgen nicht geschafft ...«
    Michael tastete den Geigenkasten ab. »Sind alle Ihre Saiten hier in dem Kasten?« fragte er.
    Awigdor nickte. Sein Atem war flach und schnell, und seine Hand zitterte. »Ich habe immer vier Ersatzsaiten dabei«, sagte er, »zur Sicherheit.«
    Dr. Solomon stieg von der Bühne. »Sie erlauben«, sagte er und hielt alle Reservesaiten, über die er vorsichtig mit der Hand glitt. Nach einer Weile machte er Michael ein Zeichen mit dem Kopf und ging auf die seitlichen Stufen zu. »Es würde auch mit diesen hier gehen«, sagte er zu Michael, der ihm gefolgt war. »Mit den dickeren Geigensaiten.« Er sah auf Awigdor, der seinen Blick hob und dessen Hals zitterte. »Ich muß ihm ein paar Fragen stellen«, entschuldigte er sich und ging auf Awigdor zu. Michael hörte die Fragen nicht, aber er hörte die Antwort Awigdors: »Das ist die a-Saite und das die d-Saite«, erklärte er flüsternd. »Und diese?« fragte Dr. Solomon und hielt die dickste Saite in der Hand. »Das ist die g-Saite«, sagte Awigdor mit schwacher, beinahe unwilliger Stimme. »Und bei der Bratsche ist es eine Quint weniger«, bemerkte er mit zittriger Stimme. »Warum ... warum fragen Sie ... Denken Sie ... ?« fragte er erschrocken. »Das ist ausgeschlossen!« rief er, und Michael sah in seinen Augen, die wild flackerten, das Bild des aufgeschlitzten Hal ses Gabriel van Geldens. »Reden Sie im Moment mit niemandem darüber«, warnte er. Awigdor verschluckte sich, schluckte, schüttelte den Kopf und faltete die Hände.
    »Hat sie auch vier Saiten?« fragte Solomon. »Hat die Bratsche auch vier Saiten?«
    Awigdor nickte und wiederholte: »Ja, aber eine Quint tiefer.«
    »Sie sind also dicker als Geigensaiten«, erklärte Solomon.
    Wieder wurden die Holztüren langsam geöffnet, und Zila betrat den Saal. Hinter ihr kamen Jafa von der Spurensicherung und zwei weitere Frauen. Die hagere mit dem kurzen Haar hielt einen Bratschenkasten, und die junge – beinahe noch ein junges Mädchen – mit einem langen geflochtenen Zopf, der von der Seite ihres Kopfes auf ihre Brust baumelte, trug ein Cello.
    Zila packte Michaels Arm und zog ihn beiseite. »Die beiden haben das Gebäude auch in der Pause, nach der offiziellen Probe, nicht verlassen«, sagte sie zu Michael. »Die mit dem kurzen Haar sagt, daß sie mit der Cellistin gewartet hat, um ihn, Gabriel van Gelden, zu überzeugen, daß er sie wenigstens als Ersatzspielerin nehmen soll. Sie ist eine Schü lerin ihrer Mutter oder so was. Auf jeden Fall scheint es keinen Zusammenhang zu geben ... Ich habe ihnen gesagt, daß wir hier ermitteln. Beide haben die Leiche nicht gese hen, nicht richtig. Sie denken, wir suchen nach einem Messer.«
    Auf Michaels Bitte öffnete die Bratschistin ihren Kasten und zog das Instrument heraus. Michael legte es neben Awigdors Geige, und gemessen an dem rötlichen glänzenden Braun der Geige verblaßte die Bratsche in einem fahlen, gelblichen Braun. Er gab vor, nach etwas zu suchen, breitete den Stoff aus, öffnete die Verpackung des Kolophoniums und befühlte die braune Hülle aus durchsichtigem Papier. »Was ist das?« fragte er. »Ersatzsaiten«, antwortete die Bratschistin und folgte mit den Augen seinen Händen, als er die Hülle öffnete. »Es ist nur eine Saite darin«, bemerkte er. Die Bratschistin griff nach der Rolle, sah in die Hülle, als wolle sie feststellen, ob keine weitere Saite vorhanden war. »Nur eine«, entschuldigte sie sich. »Nur die g-Saite.«
    »Ist das die dickste? « fragte Solomon und befühlte die Er satzsaite.
    »Nein, das ist die g-Saite«, sagte sie verblüfft, »die dickste ist die c-Saite.«
    »Wie viele Saiten hatten Sie heute morgen dabei?« fragte Michael nach.
    »Eine Ersatzsaite«, gestand sie wie eine Angeklagte. »Ich hatte vor ... aber ich

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