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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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vor ihr stehen blieb und sich zu ihr hinunterbeugte. »Ihr habt sie nicht gefunden«, hörte Michael, wie sie ihrem Sohn zuvorkam, »ihr habt das Kind nicht gefunden.«
    »Sie finden sie, Mama«, versicherte Jigal und strich mit seiner Hand über die Stoppeln auf seinen Wangen und über sein schütteres Haar, »sie werden sie bestimmt finden.«
    In der Wohnung, in der kleinen Diele, standen drei Polizisten, und einer von ihnen führte Michael in das Zimmer des Mädchens. »Der Hundeführer ist jetzt dort mit seinem Hund, sie lassen ihn an ihren Sachen schnüffeln.« Michael spähte hinein. Alle Türen des großen Wandschranks standen offen, und der Inhalt – weiße, jahrzehntelang gestärkte Bettlaken, fadenscheinige Handtücher, Schuhe und Winterkleider – lag ausgekippt auf dem Bett sowie auf dem Fußboden verstreut. Man hatte die Matratze entfernt und an die Wand gelehnt, und eine dicke braune Wachsdecke lag zusammengefaltet am Fußende des Bettes.
    »Hier«, sagte Balilati und deutete auf das Kämmerchen, das der Mutter als Schlafzimmer diente, »können wir hier?« Einer der Polizisten nickte achselzuckend, und Balilati trat ein, hinter ihm Michael mit Dschalal und Peter und Jigal.
    »Hier ist kein Platz für fünf«, sagte Jigal, »da bleibt keine Luft zum Atmen. Du kannst draußen warten, Peter.« Peter gehorchte wortlos, mit hochrotem Gesicht.
    Balilati schloss die Tür und bedeutete Jigal Chajun und Dschalal, sich auf das Doppelbett zu setzen. Michael lehnte sich gegen die Wand und atmete mühsam die erstickende, mit Schweiß und Schimmel gesättigte Luft ein.
    »Dieser Ausweis ist gefälscht«, sagte Michael nach kurzem Schweigen, »und Sie«, er wandte sich an Dschalal, »waren in einem verlassenen Haus und nicht an der hier angegebenen Adresse, hier steht, dass Sie in Ostjerusalem wohnen, in der Hatun al-Raschid fünfzehn, weshalb müssen Sie dann in einem verlassenen Haus in der Mordechai-Hajehudi-Straße schlafen?«
    Dschalal schwieg. Michael betrachtete die gemeißelten Konturen seines Profils, die fein geschwungene Nase, die vollen Lippen, noch betont durch die dunklen Bartstoppeln. Er wirkte wie Anfang zwanzig, jünger als sein Sohn Juval, und als er Michael sein Gesicht zudrehte, glänzten Tränen in seinen Augen. Er schlug die langen dunklen Wimpern nieder und starrte auf seine staubigen Schuhe. »Ich ...«, flüsterte Dschalal und blickte fleh end zu Jigal Chajun hinüber.
    »Seht mal, Leute«, sagte Jigal, kniff sich in seine Kartoffelnase und faltete dann die Hände über seinem kleinen Bauch, »die Tatsachen sind ganz simpel: Dschalal arbeitet mit mir und wohnt bei mir, aber jetzt, wegen Peter ... wenn Peter zu Besuch kommt, hat er bei mir keinen Platz, ganz einfach. Und wir hatten keine Zeit, eine andere Regelung zu finden.«
    »Warum geht er denn nicht in die Harun al-Raschid fünf zehn?«, ließ es sich Balilati nicht nehmen, boshaft zu sticheln, »er hat doch schließlich ein Zuhause, eine Adresse.«
    »Dort wohnt seine Familie, die Eltern und Geschwister, da ist es unbequem. Eng. Er hat keine Wohnung für sich allein«, behauptete Jigal Chajun.
    »Schauen Sie«, entgegnete Balilati, »ich will mich jetzt nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten einmischen, aber dieser Ausweis ist gefälscht, und wenn ihr mir nicht hier und jetzt sagt, wo er wirklich herkommt ...«
    »Aus Ramallah«, rief der Junge und brach in Tränen aus, »ich bin aus Ramallah.«
    »O.k.«, sagte Balilati mit aufgesetzter Ruhe, »jetzt wissen wir also: aus Ramallah. Ohne Aufenthaltserlaubnis. Und wie lang ist er schon in Jerusalem ohne Aufenthaltserlaubnis?«
    »Nicht der Rede wert, vielleicht ein paar Monate ... vielleicht drei Monate ...«, unternahm Jigal noch einen Versuch.
    »Zwei Jahre«, sagte Dschalal heftig schluchzend, »zwei Jahre, wirklich, mehr nicht, ich sage Ihnen jetzt die Wahrheit, aber ich habe nichts getan, nie im Leben hab ich was getan, nur ein bisschen Arbeit mit Jigal.«
    »Haben Sie ihn zu dem verlassenen Haus geschickt, weil Peter gekommen ist und kein Platz für beide war?«, fragte Michael Jigal Chajun.
    »Schauen Sie«, flüsterte Jigal, »es ist nicht so, wie es aussieht, Peter und ich sind schon seit zehn Jahren zusammen und auch wieder nicht so ganz, Dschalal weiß das, ich habe keine Geheimnisse vor ihm, auch nicht vor Peter, Sie haben gesehen, dass er Dschalal kennt, aber er weiß nicht genau, wie sehr ... wie ... dass ich und Dschalal ... Peter ist ein wunderbarer Mensch mit einem

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