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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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bröselt, und ich hab gedacht ... nun, ich hatte eben so ein Gefühl.«
    »Ich missachte deine Gefühle nicht«, erklärte Michael kühl, »aber du missachtest die Gefühle anderer, und das trübt die Stimmung.«
    »Ich krieg das schon wieder hin, ich werde sie entschädigen«, versprach Balilati mit kindischer Begeisterung, und bevor Michael ihm sagen konnte, dass man nicht alles und jedes wie der hinkriegen konnte, sagte Balilati: »Fahr nicht in die Straße rein, da ist es garantiert gesteckt voll.« Er deutete auf einen leeren Parkplatz auf dem Gehsteig zwischen einem Kleinlaster und einem Strommasten an der Ecke.
    Sie stiegen aus, und Balilati rannte voraus in die Jiftachstraße hinein. Von der Straßenecke aus sah Michael, wie der Nachrichtenoffizier neben einem der Streifenwagen stehen blieb, die die kleine Straße verstopften, und sich zum Fahrerfenster hinunterbückte. Als Michael dort anlangte, richtete sich Balilati auf und überließ es dem Polizisten im Auto, auszusteigen und seine Beute auf dem Rücksitz herzuzeigen – einen jungen Mann, braunhäu tig und schlank, der zusammengekauert dort saß. »Wir haben ihn dort gefunden, er sagt, er heißt Dschalal Ibn Mansur und sei aus Ostjerusalem, also ein ortsansässiger Jerusalemer, und er hat auch einen Ausweis, sehen Sie«, der Polizist reichte Michael das blaue Plastikmäppchen.
    Balilati schnappte sich den Ausweis. »Gefälscht«, flüsterte er Michael zu und reichte ihn an ihn weiter, »gefälschte Papiere. Wenn der aus Ostjerusalem ist, bin ich eine Einmachgurke. Um wie viel wetten wir, dass er keine Aufenthaltserlaubnis hat?«
    »Er hat im Hof geschlafen, in der Mordechai Hajehudi acht, es gibt da so einen Schuppen, aus Stein, war vielleicht mal ein Lager«, sagte der Polizist zu Michael, »von vorn am Haus kommt man gar nicht rein, dort steht irgend so ein riesiger Baum, der den Eingang versperrt. An der Tür ist ein Eisenriegel mit einem ordentlichen Schloss. Er ist sicher durchs Fenster gekrochen, mager wie er ist. Nicht ins Haus, in den Schuppen daneben. Es sind keine rumänischen Arbeiter mehr da, wie Sie gemeint haben«, wandte er sich an Balilati, »die Nachbarn haben mir gesagt, dass das Haus schon seit einigen Monaten völlig verrammelt ist und man die Rumänen dort verjagt hat, weil sie immer auf der Terrasse vor dem Haus saßen und ...«
    »Macht mal einen Augenblick Platz hier«, befahl Balilati dem Polizisten hinterm Steuerrad, »wir werden hier mit ihm reden.«
    »Wo? Im Auto?«, fragte jener.
    Michael verschränkte die Arme und machte eine verneinende Geste mit dem Kopf. Er beugte sich zum hinteren Wagenfenster hinunter und betrachtete den Jungen, der sich unter seinem Blick noch mehr zusammenkrümmte. »Kommen Sie, steigen Sie aus«, sagte Michael zu ihm, und der Junge schob seinen Körper mit offensichtlicher Anstrengung auf die Wagentür zu.
    »Wo willst du mit ihm reden?«, murmelte Balilati, der hinter ihm stand, »willst du ihn jetzt zum Verhör mitnehmen? Vielleicht überlässt du ihn einfach mir und gehst zu den Bascharis, du wolltest doch mit ihnen über diese Adoptionsgeschichte reden ...«
    »Man braucht keinen Vernehmungsraum, um den Namen und die Adresse festzustellen und was er dort gemacht hat«, erwiderte Michael scharf, »und so lange das von mir abhängt – lasse ich dich mit keinem Palästinenser allein.« Balilati blieb stumm.
    Der Junge streckte seine langen Beine aus und wand seinen Körper aus dem Wagen. Er trug dunkle, staubige Gabardineho sen, ein kariertes Flanellhemd und eine kurze Lederjacke, und der säuerlich modrige Geruch von jemandem, der nächtelang in seinen Kleidern geschlafen hat, stieg von ihm auf. Die schwarzen Stoppeln eines Zwei- oder Dreitagebarts überzogen sein Gesicht, doch all das zusammen täuschte nicht über seine Schönheit hinweg. Michael betrachtete das schmale, längliche Gesicht, die un verhüllte Angst und Resignation, die aus den dunklen, tiefen Augen sprachen. »Wie lange waren Sie dort?«, fragte er auf Hebräisch, und der Junge sah ihn mit furchtsamem Blick an und sagte: »Ich – von Montag an, drei Tage, seit Montag.«
    »Warum?«, fragte Michael, »was haben Sie dort gemacht?«
    »Ich habe dort geschlafen«, flüsterte der Junge.
    »Die Leute schauen schon«, schaltete sich Balilati warnend ein, »wir können nicht hier stehen bleiben.«
    Aus den Augenwinkeln sah Michael Peter O’Brian und Jigal Chajun, Nesjas großen Bruder, im Laufschritt die Straße herunterkommen. Peter

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