Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
nachdem ich dich ein wenig kennen gelernt habe, ist, wo du all die Jahre gesteckt hast.«
»Ach, das«, erwiderte Ada und lächelte, während sie ihren Stuhl zurückschob, um aufzustehen, »das musst du ihn fragen, nicht mich.«
»Sie sagt, ich hätte nicht gewollt«, erklärte Michael. Jetzt standen sie alle drei um den Tisch.
»Er hat nicht nicht gewollt«, sagte Schorr und blickte auf die Scheine, die er neben den unterschriebenen Kartenbon legte, »er wollte schon, er wusste bloß nicht, dass er will.«
»Sie sagt, das sei dasselbe«, erklärte Michael, und Schorr blickte Ada noch einen Augenblick an und lächelte.
»Sie hat Recht«, meinte er auf dem Weg zum Parkplatz, »und du, hör gefälligst auf das, was sie dir sagt.« Sie blieben neben dem großen, staubigen Toyota stehen. »Es lohnt sich für dich«, fügte er an Michael gewandt hinzu und küsste Ada auf die Wange, »und jetzt schlaf ein wenig, bevor du dich über den Rechtsanwalt und diesen Benesch hermachst. Es läuft dir nichts davon, die Toten sind schon tot, und das kleine Mädchen habt ihr ja bereits gerettet.«
Vierzehntes Kapitel
Trotz all den Malen, die Michael gezwungenermaßen Männern gegenübergestanden hatte, denen das Weinen sichtlich fremd war – Männer, deren Gesichter sich verzerrten und splitterten, deren ganze Haltung plötzlich zusammenbrach –, lösten der raue Klang des Schluchzens und das geräuschvolle Schniefen von Rechtsanwalt Rosenstein hilflose Verlegenheit und Mitgefühl in ihm aus.
»Kann man das nicht aufhalten?«, fragte der Anwalt unter Trä nen, »oder eine Verfügung dagegen erwirken?« Seine faltige Hand fiel herunter und klatschte auf die großen Seiten, die zwischen ihnen auf dem Tisch ausgebreitet lagen, »ist das nicht Korrumpie rung von Ermittlungsverfahren, das so zu veröffentlichen?« Michael betrachtete die auf dem Kopf stehenden Schlagzeilen und hörte sich die Tirade des Rechtsanwalts an, der den Gesundheits zustand seiner Frau ins Feld führte und die Journalisten verfluchte, speziell »diese Mädchen, die alles in den Dreck ziehen, alles, das ganze Leben eines Menschen und auch seinen Tod, wie ... wie nennt man das, dieses Tier, wie ein Kojote, aber es ist keiner ...«
»Hyäne«, half Michael schließlich aus, in Erwiderung des drän genden Blicks des Anwalts.
»Genau, Hyäne. Aas fressen sie, oder dieser Vogel ... eine Art Adler, so wie ein Raubvogel ...«, rief Rosenstein und drohte, er selbst würde auf gerichtlichem Wege oder in eigener Person, falls nötig, der Veröffentlichung des Berichts von Orli Schoschan Einhalt gebieten, der in einer Sonderbeilage in der Abendausgabe zu Simchat Thora noch diese Woche erscheinen sollte. »Wie konnten Sie nur?«, protestierte er mit heiserer Stimme, »wie konnten Sie ihr so etwas erlauben?«
Michael lehnte sich an seinen Stuhl und zündete sich eine Zigarette an. Erst als ihn Rosensteins Augen einfingen, auf Antwort wartend, breitete er mit einer Geste der Hilflosigkeit die Hände aus und sagte, dass in dem Bericht keinerlei Fakten zu finden seien, die die Ermittlung beeinträchtigten, und dass den Anwalt wohl weniger die Sorge um das Ermittlungsverfahren so bewege, sondern die öffentliche Entblößung seines Privatlebens. »Ich kann Ihren Kummer durchaus nachvollziehen, ein Mensch fühlt sich ziemlich schlecht, wenn sein Leben so an die Öffentlichkeit gezerrt wird«, sagte Michael zu ihm und zog an der Zigarette, »aber mit Kummer allein kann man die Gepflogenheiten der Welt noch nicht abschaffen. Und es ist einer Journalistin, oder jedem anderen Menschen in einem demokratischen Staat, erlaubt, einen Artikel über ein junges, begabtes, hübsches Mädchen zu veröffentlichen, das auf so schreckliche Weise ermordet wurde.«
»Auch über die Familien, zu denen sie einen Bezug hatte, darf man alles publizieren?!«, entrüstete sich der Rechtsanwalt, worauf Michael mit den Schultern zuckte: »Warum nicht, wenn es etwas damit zu tun hat.«
»Und das ist nur der erste Bericht!«, rief Rosenstein und barg sein Gesicht in den Händen, »wer weiß, was noch nachkommt, sie plant noch drei Folgen!«
»Hier steht in der Schlussbemerkung«, sagte Michael und drehte die Seite zu sich herum, »dass in der Fortsetzung Einzelheiten über den Anhörungsausschuss bezüglich der Affäre der jemenitischen Kinder folgen werden und ... da, laut ihrer Formulierung, ›erschütternde Enthüllungen über das Verschwinden von Kindern und auch die Geschichte einer
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