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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Früh?«
    »Es ist schon sechs«, stellte Zila richtig, »er hat etwas zu sagen, aber er ist nicht bereit, mit irgendjemand anderem zu reden, nur mit dir«, flüsterte sie, »ich habe ihn im Materialzimmer untergebracht, Ja’ir ist bei ihm.«
    »Wo ist Eli?«, fragte Michael, und aus den Augenwinkeln sah er, wie Balilatis Finger sich fester um das Steuerrad schlossen.
    »Er ist hier, redet gerade mit dem Mann von der Spurensiche rung«, antwortete Zila, »warum? Brauchst du etwas von ihm? Ich kann ihn rufen ...«
    »Du brauchst ihn nicht rufen«, erwiderte Michael, und links von ihm begannen Balilatis Finger aufs Steuerrad zu trommeln, dessen Verkleidung sich aufzulösen begann, »sag ihm nur, dass ich ein paar Worte mit ihm wechseln möchte.«
    »O.k.«, bestätigte sie sachlich, »bevor du mit Benesch redest oder danach?
    Balilati gähnte lautstark und schloss die Augen.
    »Davor«, sagte Michael, »Benesch kann noch einen Moment warten, das ändert nicht mehr so viel.«
    »Soll ich dich dann dort absetzen?«, fragte Balilati und ließ den Motor an, »oder was? Vielleicht willst du vorher einen Kaffee oder ein Börek? Es gibt da einen Platz ...«
    »Balilati«, sagte Michael drohend.
    »O.k., o.k., ich hab ja nur gefragt. Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper«, entgegnete Balilati und löste die Handbremse.

Sechzehntes Kapitel
     
     
    Zuerst war da der Geruch; in der Nacht war er bitter und tro cken wie die Luft zu Hause im Schlafzimmer in den Monaten, be vor ihr Vater gestorben war, diese Luft, wegen der Nesja sich bemüht hatte, auf der Schwelle stehen zu bleiben, wenn sie gerufen wurde – normalerweise von ihrer Mutter, aber manchmal auch von ihrem Vater, mit einem beängstigend heiseren Flüstern –, her einzukommen und mit Papa zu sprechen. (»Geh rein, Nesjale, geh rein, Herzchen«, hatte ihre Mutter sie immer gedrängt, aber sie hatte Angst vor den Schläuchen und der Leere an der Stelle, an der ein Bein hätte sein sollen, fürchtete, dass sie den Atem nicht anhalten könnte und gezwungen sein würde, diesen Geruch einzuschnaufen, diesen bitter trockenen, dem man nicht entflie hen konnte, nicht einmal in der Nacht im Bett, und der noch lange Zeit nach seinem Tod, sogar heute noch zu spüren war, wenn man das Gesicht in Mamas Bett vergrub.) Und auch der Geruch nach Toilette war da und der Dunst verschwitzter Laken, obwohl sie nicht schwitzte. Im Gegenteil, ihr schien, als sei ihre Haut brennend trocken. Sie schlug die Augen auf, ohne nachzudenken öffnete sie sie, und niemand bemerkte es, nicht einmal derjenige, der auf einem Stuhl neben der Tür saß, den Kopf auf die Brust gesunken, mit geräuschvollen Atemzügen.
    Ganz langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Jemand schlief neben der Tür, auf einem Stuhl. Im spärlichen Licht, das vom Gang her einfiel – vom Gang? –, sah man, dass er weiße Haare hatte, und von weitem war das Klingeln eines Telefons zu hören, ein lautes Schrillen, nicht wie zu Hause. Das Laken war weiß und das Bett hoch. Es gab zwei große Kissen, nicht wie daheim. Wenn man die Hände zur Seite ausstreckte, entdeckte man, dass das hohe Bett schmal war, und es war unmöglich, mit den Händen den Fußboden zu erreichen, nicht nur, weil das Bett so hoch war, sondern auch, weil eine Hand angehängt war. Eine Nadel mit einem braunen Klebeband war daran befes tigt, und von der Nadel ging ein dünner Schlauch weg, der zu einem Säckchen führte, und das hing an einem Ständer. Ein Stän der wie der damals neben dem Bett ihres Vaters, und nach einiger Zeit waren immer wieder Schwester Varda oder der arabische Pfleger Wahid gekommen und hatten das Säckchen befühlt, geschüttelt und manchmal auch von dem Ständer abgenommen, in den Abfalleimer geworfen und ein anderes geholt. Manchmal schaute Nesja stundenlang zu, wie die Tropfen von der Spitze des Ständers zu dem dünnen Schlauch hinunterwanderten, und Varda erklärte ihr, dass in dem einen Beutelchen ein Medikament war und in dem anderen Flüssigkeit (»damit er nicht austrocknet, denn Papa trinkt nicht mehr aus einem Glas, stimmt’s, Schätzchen?«).
    Jetzt hatte auch sie so einen Schlauch und einen Ständer, aber nur ein Säckchen, und man konnte nicht wissen, ob es ein Medikament oder nur Flüssigkeit enthielt. Dieser Raum, in dem sie allein im Dunkeln lag, war ein Krankenhauszimmer, ja, sie war im Krankenhaus, und anscheinend würde sie, Nesja, in Bälde sterben, genau wie ihr Vater, der vorher im

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