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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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meint er denn, dass ich machen soll? Glauben Sie, dass er mich verlassen wird?« In kindlich flehendem Ton fragte sie das, weshalb es Michael besonders schwer fiel, irgendeine Erwiderung darauf zu finden, und es war Zila, die für ihn einsprang: »Das ist überhaupt nicht sicher, Männer haben manchmal eine Krise, Midlifecrisis, und nachher kommen sie mit eingezogenem Schwanz wieder nach Hause zurück.« Und da brach Hagar, dort auf der Synagogenbank, im Halbdämmer der Gerüche nach Papier, Gewürzen und Äpfeln, in bitterliches Weinen aus, wie ein kleines Mädchen, das zum ersten Mal, völlig überrascht, die Schlechtigkeit der Welt entdeckt. Weinend stand sie auf und wandte sich der großen Ausgangstür zu, und erst als sie davor stand, fasste sie sich wieder etwas. »Ich denke nicht daran, so schnell aufzugeben«, sagte sie zu den hölzernen Kassetten der Tür, »ich werde um seine Liebe kämpfen, kämpfen werde ich darum«, und damit trat sie hinaus und ließ die Tür weit offen stehen.
    »Sie wird um seine Liebe kämpfen, hast du das gehört?«, sagte Zila, »kann man um Liebe kämpfen?« Michael musterte sie und suchte nach Anzeichen von Spott in ihrem Gesichtsausdruck, aber sie war vollkommen ernsthaft und nachdenklich.
    »Vielleicht kann man ja kämpfen, aber mit Liebe hat das nicht viel zu tun«, gab er ihr schließlich zur Antwort, »das erscheint mir sogar ein kompletter Widerspruch – wie kann man um etwas kämpfen, das einem doch wie eine Gnade oder ein Wunder geschenkt wird. Entweder es ist da oder nicht.«
    Zila spähte in den kleinen Spiegel, den sie aus ihrer Handtasche gezogen hatte. »Was meinst du, liebt sie ihn? Sollen wir gehen und hier einfach so offen lassen?« Und nachdem sie ihre Nase gerümpft und sich ein paarmal ins Gesicht geklopft hatte, steckte sie den Spiegel wieder ein, und sie gingen, warfen die Tür hinter sich zu. Michaels Blick wanderte zu dem kleinen Haus auf der anderen Straßenseite, dem braunen Tor und dem großen Abfallhaufen, der sich auf den zerbröckelnden Schwellen der Bahn gleise türmte, und Zila fuhr fort, in Beantwortung ihrer Frage von zuvor: »Man kann nie wissen, in einer solchen Situation unterscheidet man nicht zwischen Liebe und verletztem Stolz und Gewohnheit, das ist meine Meinung, und weißt du, was ich an ihrer Stelle machen würde? Wenn ich Eli bei einer solchen ... Lüge ertappen würde? Ich würde einfach aufstehen und ohne viele Worte gehen. Ich weiß, was man sagt, ›richte deinen Nächs ten nicht, auf dass nicht du ...‹, und Gott sei Dank war ich noch nicht in ihrer Lage, aber ich würde keine Sekunde bleiben. Ohne Szenen und ohne Erklärungen.«
     
    Das Wasser, das über seinen Kopf, seinen Rücken und seine geschlossenen Augen strömte, war bereits nicht mehr so heiß wie am Anfang. Ein plötzliches Frösteln überfiel ihn, und er drehte erschauernd das Wasser ab.
    »Lebst du noch da drin?«, fragte Ada jenseits der verschlossenen Tür. Er öffnete sie mit einem mühsamen Lächeln und prä sentierte sich ihr inmitten von Dampfschwaden. »Du hast dir hier wohl eine kleine Hölle eingerichtet«, sagte sie, während sie mit der Hand wedelte, um den Dampf zu vertreiben, der ihn umgab, und zog ihn sanft ins Schlafzimmer.
     
    In vollkommener Dunkelheit, inmitten eines dichten Nebels von Schlaf oder Traum, hörte er plötzlich Adas Stimme ganz nah an seinem Ohr. »Dein Beeper piepst«, flüsterte sie, »er hört gar nicht mehr auf. Da ist er, ich habe ihn hergebracht, damit du’s siehst.« Und in der absoluten Finsternis fragte er: »Wer ist es?« und war immer noch nicht sicher, ob dieses Gespräch zwischen ihnen wirklich stattfand, in diesem Schlafzimmer, in dem er seine Klei der auf einen kleinen Strohsessel geworfen hatte, oder nur in seinem Kopf erträumt war.
    »Soll ich nachschauen?«, fragte Ada und schaltete die Nachttischlampe ein. Sogar ihr weich gelbliches Licht stach ihm schmerzhaft in die Augen.
    Auf dem Display des Geräts, das sie offenbar vom Sessel zum Bett gebracht hatte, leuchtete die Nummer von Balilatis Mobiltelefon und daneben das Wort »dringend«.
    Im Zwielicht des frühen Morgengrauens saß er eine Weile danach in Balilatis Wagen und hörte zu. Ein Mülllaster kam die Straße entlanggefahren, hielt an, fuhr weiter und stoppte wieder vor dem nächsten Gebäude. Ein Streifenwagen fuhr an ihnen vorbei, verlangsamte kurz und gab sofort wieder Gas. Wegen der Kühle am Ende der Nacht ließ Balilati den Motor laufen, um den Wagen

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