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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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ein Klopfen an der Tür, die sofort darauf aufging, und Zila stand im Eingang, bückte sich zur Schwelle hinunter, um die Kaffeetasse heraufzuholen, die sie dort abgestellt hatte, um eine Hand zum Klopfen frei zu haben. Michael erhob sich hastig, eilte ihr entgegen, nahm ihr die zwei Glastassen ab und murmelte: »Danke, und bitte nicht stören.« Damit drückte er die Tür zu, noch bevor sie ein weiteres Wort äu ßern konnte, und trug die beiden Tassen zum Tisch. Danach stöberte er in seiner Hosentasche und zog ein zerdrücktes Zigaret tenpäckchen heraus. Er bot Efraim Benesch eine an, der ihn verwirrt anblickte und sie dann mit gottergebenem Ausdruck zwischen die Lippen steckte und wartete, bis Michael sie ihm anzündete. »Seit dreißig Jahren rauche ich schon nicht mehr«, sagte er mit fassungslosem Staunen, »der Blutdruck. Aber jetzt ist nichts mehr wichtig.« Er betrachtete auch die Kaffeetasse scheinbar verwundert. »Auch das trinke ich nicht, meine Frau erlaubt mir nicht ...«, und sofort nahm er einen langen, geräuschvollen Schluck.
    »Herr Benesch«, sagte Michael und ließ seinen Gesprächspartner dabei nicht aus den Augen, der seine Ellbogen auf den Tisch stützte, mit einer Hand die Tasse umklammerte und mit der anderen die Zigarette festhielt, von der zartgrauer, sich kräuseln der Rauch aufstieg. Beneschs helle wässrige Augen verfolgten die Rauchsäule, die anfangs kerzengerade unbedrängt in die Höhe stieg, sich danach mit der zweiten Säule von Michaels Zigarette vereinte und sich zu einer Wolke über dem gesprungenen Lampenschirm verdichtete.
    »Denken Sie, Joram hat das Mädchen entführt?«, fragte Michael.
    Ohne die Augen von der Rauchwolke zu wenden, nickte Efraim Benesch.
    »Warum, denken Sie, hat er sie entführt?«
    Efraim Benesch blickte ihn stumm an.
    »Denken Sie, dass das Mädchen etwas über ihn wusste? Dieses Notizbuch ... dass es da etwas ...?«
    Efraim Benesch senkte den Blick und hustete, sprach jedoch noch immer nicht.
    »Denken Sie, er hat Zohra Baschari ermordet?«, fragte Michael ganz einfach. Heftiger Regen trommelte nun gegen den eisernen Fensterladen.
    Efraim Beneschs Hand krampfte sich um die Kaffeetasse. »Das ist unser Ende«, murmelte er, »ich dachte, wir würden Ruhe haben, dass er heiraten und wegfahren würde ... aber Gott will es nicht, ich bin kein religiöser Mensch, Herr Ochajon, Sie müssen wissen, dass ich kein gläubiger Mensch bin, ich bin fer tig mit Gott ... wer im Kommunismus in Ungarn war, der ... die Russen haben meine ganze Familie umgebracht, mein Vater ist im Lager gestorben ... so wie bei den Nazis, bloß weiß man es nicht ... aber jetzt frage ich mich, was will er noch? Was habe ich Unrechtes getan? Wo habe ich mich versündigt? Nur einen Sohn haben wir zur Welt gebracht, meine Frau kann nicht ... sie wollte auch nicht, und wir haben ihm alles gegeben, wirklich alles.« Die letzten Worte stieß er stöhnend aus. »Und wir trinken hier Kaffee, als ob ...«, murmelte er, »als ob nichts geschehen sei.«
    »Ich kann mir vorstellen, wie schwer es Ihnen gefallen sein muss herzukommen«, sagte Michael aufrichtig.
    »Das war die schwerste Entscheidung meines Lebens«, erwi derte Efraim Benesch, »aber ich hatte keine Wahl. Ich will Ihnen die Wahrheit sagen: Ich dachte, entweder jage ich mir eine Kugel in den Kopf, rase mit dem Auto in den Abgrund, oder ich tue das, was getan werden muss. Mir eine Kugel in den Kopf jagen kann ich auch nachher, aber zuerst muss man tun, was getan werden muss.« Seine Stimme wurde lauter. »Ich spreche hier nicht vom Gesetz, Herr Ochajon, auf das Gesetz pfeife ich, ich rede von etwas Größerem.«
    »Denken Sie, er hatte ein Verhältnis mit Zohra Baschari?«, tastete sich Michael vorwärts, »denken Sie, er ist der Vater ihres Kindes?«
    »Ein Verhältnis?!«, lachte Efraim Benesch bitter auf, »bei ihm kann man nie etwas wissen. Er erzählt nichts. Nie. Auch als Kind hat Joram nichts gesagt. Er hat nur ... bloß drum herum geredet, ich habe nie verstanden, was wirklich los war, auch in der Schule, wenn die Lehrerin uns einbestellt hat, weil sie ihn erwischt hatten, sagte er ... erzählte Geschichten ...«
    »Wobei haben sie ihn in der Schule erwischt?«
    »Er ...« Efraim Benesch schaute ihn verlegen an, »was spielt das jetzt für eine Rolle, aber vielleicht haben Sie Recht, vielleicht ist es wichtig. Er ... es gab ein Mädchen dort, ich weiß nicht mehr genau ... er fing eine Katze mit ihren Jungen und ... er zeigte

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