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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Michael.
    Efraim Benesch deutete auf das lederne Büchlein auf dem Tisch. »Allmächtiger«, sagte er und schüttelte den Kopf, »wie viel habe ich diesem Jungen gegeben, wie viel war ich mit ihm unterwegs, habe mit ihm geredet, Tierpark und Karatekurs, und Computer, einer der ersten im Land, was habe ich nicht alles ... aber es hilft nichts, Herr Ochajon, glauben Sie mir, man kann nie wissen ... wenn die Atmosphäre voller Hass ist – was kann dort schon heranwachsen?«
    »Herr Benesch«, sagte Michael und rückte mit seinem Stuhl noch weiter an seinen Gesprächspartner heran, »wo war Joram in der Nacht, als Zohra Baschari ermordet wurde? Wo war er wirklich?«
    Efraim Benesch wischte sich noch einmal über die Stirn, legte dann seine Hände wieder auf die Knie, bog den Rücken durch und sagte: »Er ist weggefahren, um Michelle vom Flughafen abzuholen, das hat er zu uns gesagt. Wir dachten, dass sie um zwei Uhr nachts ankommen sollte, am Ende ist sie aber erst um sechs Uhr in der Früh angekommen.«
    »Wir haben es überprüft«, sagte Michael sanft, »sie hätte gar nicht mit dem Flug der KLM ankommen sollen, sie war nicht auf der Passagierliste. Sie war von vornherein auf der Liste des El-Al Flugs, der um fünf Uhr morgens landet.«
    »Ja«, räumte der Vater ein, »aber das wussten wir damals nicht, er hat gesagt, dass ... Sie wissen es ja schon, was er gesagt hat.«
    »Aber sogar um zwei Uhr morgens, angenommen, sie wäre um zwei Uhr in der Früh angekommen, wann hat er wirklich das Haus verlassen?«
    »Deswegen bin ich ja gekommen ...«, erwiderte Efraim Benesch unglücklich, »ich wollte Ihnen sagen ... er war nicht zu Hause. Meine Frau denkt, dass ich geschlafen habe, und mein Sohn denkt, dass ich sage, was man mir zu sagen anordnet, aber ich sage Ihnen: Ich habe nicht geschlafen, ich habe keine Tablette genommen, und er war nicht zu Hause. Ich weiß nicht, wo er war. Er hat ein Auto und er ist unabhängig, und mir erzählt er überhaupt nie etwas, denn ich frage nicht, warum sollte ich? Und ich, wenn ich ihn fragen würde, was würde er mir schon sagen? Denn wenn er mir überhaupt etwas sagen würde, bestünde keinerlei Chance, dass es die Wahrheit wäre, Herr Ochajon, Gott möge mir vergeben. Was hätten Sie an meiner Stelle getan, Herr Ocha jon? Was? Sie sind schließlich ein intelligenter Mensch, sagen Sie mir doch, was hätten Sie getan?«
    »Ihre Lage ist wirklich äußerst schwierig«, murmelte Michael hilflos, und für einen Augenblick hatte er das Gesicht seines Soh nes vor Augen. Ich, hätte er fast zu Efraim Benesch gesagt, könnte nie in Ihrer Situation sein, und sofort schalt er sich selbst für diese dumme Gewissheit.
    »Denn es gibt Menschen, die Ihnen sagen werden«, fuhr Efraim Benesch zu seiner Erleichterung fort, »sogar meine Frau, dass es egal ist, was dein Kind getan hat, er bleibt immer dein Kind.«
    »Sie verleugnen Joram ja nicht, Herr Benesch«, redete Michael ihm besänftigend zu, »das sind zwei verschiedene Dinge.«
    »Das ist es«, sagte Efraim Benesch, »das dachte ich auch. Ich verurteile ihn nicht, aber ich kann ihn nicht mit meiner Lüge schützen, ich hätte ihn schon viel früher schützen müssen. Und nicht mit einer Lüge. Nur dass ich überhaupt nichts machen kann, wenn er ... wenn sich herausstellen sollte, dass er wirklich ...« Seine Stimme erstarb wieder, und sein Blick verschwamm. Im Zimmer herrschte Stille. Nur der Regen schlug heftig an den Eisenladen.
    »Und am Abend des Festes, an Sukkot«, fragte Michael nach einer langen Weile, »wo war er, als das Mädchen verschwand?«
    »Zu uns hat er gesagt, dass er mit Michelle zusammen nach Tel Aviv gefahren sei, ich sage Ihnen die Wahrheit«, flüsterte Efraim Benesch, »das hat er gesagt, aber danach hat sich herausgestellt, dass Michelle zu einer Freundin in den Kibbuz gefahren ist, ein Kibbuz bei Netanya, ich habe vergessen, wie ... er hat sie hingebracht und gesagt, er müsse etwas erledigen, und ist an scheinend hierher zurückgekehrt ... wir wussten es nicht ein mal ... ich ... ich wollte nicht denken ... ich habe eine Schlaftablette genommen. Der Mensch kann nicht die ganze Zeit an so etwas denken, Herr Ochajon, verstehen Sie mich?« Michael nickte, eingedenk des Gesichtes der Braut, die nicht mit der Wim per gezuckt hatte, als sie erklärte, Joram Benesch sei die ganze Nacht mit ihr zusammen im Kibbuz gewesen. Er fragte sich, was Jo ram wohl zu ihr gesagt hatte, dass sie so dreist für ihn log. »Der Mensch

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